29 - Im Lande des Mahdi III
versteckt wurden, um bei passender Gelegenheit auf gefahrlosen Wegen weitertransportiert zu werden. Aber wo lag dieser Ort? Das wollte und mußte ich wissen, denn dort wartete man auf uns, um Rache an uns zu nehmen. Ich zweifelte zwar gar nicht daran, daß es uns gelingen würde, ganz glücklich dort vorbeizukommen, aber doch nur dann, wenn wir wußten, an welcher Stelle die Gefahr uns drohte. Und aufrichtig gestanden, hatte ich gar keine Lust, eben nur glücklich vorüberzufahren. Es gab dort Sklaven zu retten, unter denen sich sogar Weiße befinden sollten! Da war es doch wohl unsere Pflicht, denen, die auf uns warteten, um uns zu verderben, nicht feig aus dem Weg zu gehen, sondern ihnen erst recht zu zeigen, daß wir sie nicht fürchteten.
Also wir mußten unbedingt erfahren, wo El Michbaja lag. Aber von wem? Natürlich von Hubahr, dem bevorzugten Schüler des neuen Propheten, welcher lehrte, daß die Sklaverei eine von Allah befohlene Einrichtung sei. Bei dem Gedanken, daß grad dieser Schüler uns gegen seinen Meister beistehen solle, drängte sich mir ein behagliches Lächeln auf, denn ich war überzeugt, daß es mir gar nicht schwerfallen werde, ihn dazu zu bewegen, allerdings auf freundlichem Weg freilich nicht. Abu Reqiq hatte ihn als einen verschlagenen, listigen aber feigen Menschen geschildert. Nun, die List eines Sudanesen fürchtete ich nicht, und die Feigheit war der Punkt, an dem ich ihn zu fassen hatte.
Dies zu tun, war jetzt noch lange nicht an der Zeit. Zunächst genügte es mir, zu wissen, welcher von den Leuten dieser Hubahr war. Ich hatte den Gefangenen nicht verboten, miteinander zu sprechen, und sie machten von dieser indirekten Erlaubnis reichlichen Gebrauch. Indem ich, scheinbar gar nicht auf sie achtend, die abgerissenen Reden verfolgte, welche sie einander zuwarfen und bei denen auch Namen genannt wurden, erfuhr ich bald, wo der Betreffende lag. Er war ein kleiner, schmächtiger Kerl mit drei schrägen Schnittnarben auf den Schläfen und den Wangen und gehörte also dem Fundschvolk an, höchstwahrscheinlich der Abteilung der Hammedsch oder der Beruhn. Sein dunkles Gesicht zeigte eine ausgesprochene Fuchsphysiognomie, und er wäre von mir, auch wenn ich Abu Reqiq nicht belauscht hätte, gleich beim ersten Blick für einen schlauen Menschen gehalten worden, dem man nicht trauen durfte. Sein ruheloses, unstetes Auge konnte diese Meinung nur begründen. Also das war einer jener Streiter des Islam, von denen ein einziger mehr wert war als tausend tapfere Asaker.
Ich wußte nun genug und beschäftigte mich nur noch mit den nötigen Bestimmungen für die Nacht. Die Wachen wurden so eingeteilt, daß zu je fünf El Homr ein Askari kam, weil ich mich auf meine vier Asaker mehr verlassen konnte als auf alle sechzig Homr; dann legten wir uns schlafen.
Am Morgen wurde ich auf meinen Befehl sehr früh geweckt und stieg die Mischrah hinauf, um eine für meine Absicht passende Stelle zu suchen. Als ich sie gefunden hatte, kehrte ich zurück und gab den Befehl, die Gefangenen nach diesem Ort zu schaffen. Dort angekommen, wurden sie entfesselt und dann wieder gebunden, nachdem wir ihnen ihre Kleidungsstücke genommen hatten, welche die heller Gefärbten unter den El Homr anzuziehen hatten. Zwei Asaker und zwanzig Homr sollten bei ihnen bleiben, sie hatten sich natürlich alle in diese Veranstaltung fügen müssen, Abu Reqiq auch; aber als er hörte, daß er mit seinen Leuten hier bewacht werden sollte, wurde er von seiner Enttäuschung und Besorgnis zu der Frage getrieben:
„Wie kommst du zu diesem Befehl, Effendi? Warum sollen wir nicht unten am Fluß bleiben?“
„Das kannst du dir nicht denken?“ antwortete ich.
„Nein.“
„So will ich es dir sagen. Hier oben könnt ihr die Leute vom Chor Omm Karn nicht kommen sehen, und sie vermögen deine Stimme nicht zu hören, wenn du sie aufforderst, euch zu befreien.“
Da rief er erschrocken aus:
„Allah kerihm – Gott sei uns gnädig! Wer hat dich auf den Gedanken gebracht, daß ich das tun will?“
„Frage doch nicht! Wir Christen besitzen die Eigenschaft, die Gedanken der Moslemim so genau zu erraten, als ob sie auf ihren Stirnen geschrieben ständen. Ich werde nicht vor den Leuten aus Omm Karn diese Mischrah verlassen; sie werden mir nicht folgen und euch befreien, und du wirst mir nicht Qualen bereiten, als ob ich hundert Füße hätte, auf denen ich die Bastonade bekomme. Ich habe dir gesagt, daß ich die Händler, welche du jetzt
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