29 - Im Lande des Mahdi III
Morgen wurden Posten aufgestellt, um auf sein Nahen acht zu haben. Ich war der Ansicht, daß er des Nachts kommen werde, weil er uns auf der Insel Matenieh wähnte. Wie ich ihn kannte, richtete er es so ein, daß er früh dort ankam, und wenn dies keine falsche Berechnung war, so mußte er nicht lange nach Mitternacht bei uns vorübersegeln. Die Posten besaßen genaue Weisung, wie sie sich zu verhalten hatten.
Es war auch möglich, daß der Raïs Effendina, sobald er die Feuer sah, das Schiff weiter oben halten ließ und ein Boot absandte, um zu erfahren, welcher Art Menschen sich bei den Feuern befanden.
Es vergingen zwei Nächte und zwei Tage, ohne daß sich ein Fahrzeug sehen ließ; ich war also nicht nur kalt, sondern sehr kalt gestellt worden, was mich aber nicht ärgern, sondern die Genugtuung, welche ich empfand, nur vergrößern konnte. In der dritten Nacht richtete ich es so ein, daß zwei Asaker nach Mitternacht Wache standen. Die Vermutung, welche mich dazu bewogen hatte, erwies sich als begründet, denn es fiel so gegen zwei Uhr unten an der Mischrah ein Schuß, das verabredete Zeichen, daß ein Schiff in Sicht sei. Ben Nil mußte im Lager bleiben, an dessen vier Ecken Feuer brannten; ich stieg mit den zwei übrigen Asakern hinab. Man sollte zunächst nur mich mit den vier Soldaten finden, die übrigen Leute aber erst dann, wenn es mir beliebte, zu sehen bekommen.
Als wir das Ufer erreichten, zeigten die Posten uns das Mastlicht eines Schiffes, welches eine Strecke aufwärts von uns den Anker geworfen hatte, sobald unsere Feuer bemerkt worden waren.
„Das ist ‚Esch Schahin‘, unsere Falke“, sagte ich. „Der Raïs Effendina wird das Boot zu Wasser lassen und den Leutnant senden oder selbst kommen.“
„Wie wird es ablaufen, Effendi?“ erkundigte sich einer der Asaker, dem es um seinen Goldstaub war.
„Kommt der Leutnant, so geht alles glatt, wenigstens hier, kommt der Raïs aber selbst, so wird es zunächst einen Auftritt geben.“
„Und dann?“
„Und dann wird sich alles zu eurer Zufriedenheit machen; das verspreche ich euch.“
„Wir danken dir, Effendi! Wir sind durch dich so reich geworden, daß wir nicht mehr nötig haben, des armen Lebens wegen solche Strapazen durchzumachen, und es würde uns also mit großer Wehmut erfüllen, wenn wir das schöne Gold wieder hergeben müßten.“
„Ihr dürft es behalten; verlaßt euch darauf! Stellt euch jetzt in den Schatten, damit ihr nicht gesehen werdet! Und wenn dann Fragen oder gar Vorwürfe an euch gerichtet werden, so sagt kein Wort, sondern überlaßt das antworten mir.“
Sie zogen sich ins Dunkel zurück, und auch ich setzte mich so, daß man mich vom Wasser aus nicht gleich bemerken konnte. Es währte nur kurze Zeit, so sah ich ein Boot langsam herabgeschwommen kommen. Die sechs Ruder gaben leichten, taktweisen Gegenschlag, so daß das Fahrzeug nicht die Schnelligkeit der Strömung bekam. Diese Langsamkeit wurde durch Vorsicht geboten. Als es näher kam, sah ich eine hochaufgerichtete Gestalt am Bug stehen; es war der Raïs Effendina selbst. Als er niemand bei den Feuern erblickte, ließ er stärkeren Gegenschlag geben, so daß das Boot trotz der Strömung halten blieb, und rief herüber: „Bana bak – heda! Wer ist da drüben am Ufer? Antwort oder ich lasse schießen!“
„Bana bak!“ antwortete ich. „Wer ist da drüben im Boot? Antwort, oder ich schieße auch!“
Er erkannte meine Stimme und fragte:
„Ist es möglich? Du bist es Effendi?“
„Ja.“
„Allein?“
„Nein.“
„Wer ist bei dir?“
„Die Asaker.“
„Wo ist Ben Nil?“
„Einstweilen abwesend.“
„Wo? Auf Matenieh?“
„Nein, sondern hier.“
Er stieß einen Fluch aus und fügte zornig hinzu:
„Wart! Ich komme gleich!“
Der Tanz zu zweien sollte beginnen; ich sah ihm ruhig entgegen. Das Boot kam herbeigeflogen und legte an; der Raïs Effendina sprang heraus und kam zu mir heran, der ich jetzt aufgestanden war. Seine Augen blitzten; er wollte mich zur Rede stellen; da sah er die vier Asaker, welche sich bei seinem Nahen nebeneinander aufgestellt hatten, und fuhr sie zornig an: „Warum steht ihr hier, ihr Schurken? Warum seid ihr nicht auf Matenieh?“
„Weil sie mir gehorcht haben“, antwortete ich an ihrer Stelle.
Da drehte er sich zu mir herum und fragte: „Dir? Sind das meine Asaker oder die deinigen? Wem haben sie zu gehorchen?“
„Bis jetzt mir! Du hast sie mir mitgegeben und unter meinen Befehl gestellt!“
„So
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