29 - Im Lande des Mahdi III
schwer zu werden, die Sache ernst zu nehmen, wenigstens drückten ihre Züge mehr Verwunderung als Schreck aus, und der Anführer herrschte mich an: „Was ist das für ein Verhalten! Wollt ihr uns etwa eine neu erfundene Phantasia lehren?“
„O nein“, antwortete ich. „Für Scherz hast du ja keine Zeit; es ist keine Phantasia, sondern Ernst. Ich gehöre, wie du an diesen beiden Uniformen sehen wirst, zum Schiff, in welchem Hunde wohnen, und die vierzig Männer, welche euch niedergeworfen und gebunden haben, sind zwei Drittel der Sklaven, welche du kaufen wolltest; ich habe sie gestern abend befreit und Abu Reqiq mit seinen Leuten gefangengenommen.“
Jetzt stockte ihm der Atem; der Ausdruck der Angst trat auf sein Gesicht, und er fragte, nur mit Zwischenpausen sprechend:
„Höre ich – richtig –? Bin ich – denn bei – Sinnen? Solltet ihr – wirklich zum – Raïs Effendina gehören?“
„Ja, wir gehören zu ihm“, nickte ich.
„Aber du bist – der Raïs wohl – nicht selbst?“
„Nein, ich bin ein Freund von ihm.“
„Freund –? Kein – Untergebener?“
„Nein.“
„Allah, Allah! Da kannst du nur der Ben Nemsi sein!“
„Der bin ich allerdings.“
Er gab nun eine der gestrigen, bei der Ergreifung Abu Reqiqs, ganz ähnliche Szene, so daß es überflüssig wäre, sie zu beschreiben. Es waren ganz dieselben Grobheiten und Verwünschungen, dieselben anmaßenden Drohungen, die ich über mich ergehen lassen mußte, und ich wunderte mich gar nicht darüber, daß Ben Nil mir schließlich den Rat gab, mir auch hier durch die Bastonade Achtung zu verschaffen. Am schlimmsten wurde das Geheul, als ich den Befehl gab, den Gefangenen die Taschen zu leeren; doch gelang es mit Hilfe kräftiger Hiebe bald, die nötige Ruhe herzustellen. Der Goldstaub wurde heute wie gestern unter Ben Nil und die Asaker verteilt; die übrige Beute fiel den El Homr wieder zu. Als dies vorüber war, transportierten wir die Händler hinauf zu den andern Gefangenen.
Das Zusammentreffen – bei einigen Personen wohl ein Wiedersehen – der beiden Parteien war ein sehr, sehr ruhiges. Niemand sprach ein Wort; aber hätten ihre Gedanken laut werden können, so wäre das ein zum Himmel aufsteigender, betäubender Lärm gewesen. Welcher Haß sprach aus all den Zügen, welcher Grimm aus all den Blicken! Als Mohammedaner betrachteten sie ihre Gefangennahme als ein im Buch des Lebens vorgezeichnetes Ereignis, welches nicht zu umgehen gewesen war, aber daß eigentlich nur sechs Personen das fertiggebracht hatten und daß der Anführer derselben ein Giaur war, das erregte in ihnen eine Wut, welche sie nicht bemeistern und verbergen konnten. Mich ließ diese Wut sehr gleichgültig; die El Homr lachten und freuten sich darüber. Wenn es nach ihnen gegangen wäre, hätten wir die Gefangenen samt und sonders in den Nil geworfen, um sie von den Krokodilen, deren es gerad hier freilich keine gab, verzehren zu lassen.
Die Leute aus Omm Karn hatten natürlich auch Kamele mit den nötigen Vorräten bei sich gehabt und sie am andern Ufer unter Aufsicht eines Mannes oder einiger Personen zurückgelassen. Diese mußten herübergeholt werden. Ich ließ zu diesem Zweck ein großes Floß zusammensetzen, welches gegen Mittag fertig war, und machte mich mit einer Anzahl El Homr an die Überfahrt. Ben Nil blieb zurück, um an meiner Stelle den Befehl zu übernehmen.
Wir hatten trotz aller Drohungen nicht erfahren können, an welcher Stelle wir drüben anlegen mußten, doch war es für mich gar nicht schwer, sie, als wir hinüberkamen, zu finden. Ein halb niedergeschnittenes Ambaggewächs verriet uns den Ort, wo das Floß angefertigt worden war. Nicht weit davon lagen wiederkäuend die Kamele, von einem einzigen Mann bewacht, mit dem wir kurzen Prozeß machten. Wir mußten trotz der Größe des Floßes mehrmals überfahren, was bis gegen Abend dauerte.
Ben Nil hatte inzwischen oben auf der Mischrah einen sehr passenden Lagerplatz abgesteckt und eingeteilt und den notwendigen Dienst so unter die El Homr vergeben, daß mir nichts zu tun übrigblieb, als ihm die Bestätigung zu erteilen. Proviant war für mehrere Tage da; dennoch ließ ich unser Boot holen, um abends beim Schein einiger am Ufer brennender Feuer ein Fischstechen zu veranstalten, durch welches wir reichlich frisches Fleisch bekamen.
Die Feuer brannten während der ganzen Nacht, um dem Raïs Effendina, falls er kommen sollte, als Zeichen zum Ankerwerfen zu dienen, und am
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