29 - Im Lande des Mahdi III
Negerrasse an. Es kostete mich die größte Überwindung, meinen Abscheu zu verbergen und diesem Jumruk so zu schmeicheln, daß er, durch diese Anerkennung unvorsichtig gemacht, sich der vortrefflichen Anlage der Michbaja rühmte und sich zu einigen zwar kurzen, aber für mich höchst wichtigen Mitteilungen über diesen Ort verleiten ließ. Auf diese Weise erfuhr ich folgendes:
Die Seribah lag mitten im dichten Wald, durch welchen es nur drei Wege gab. Der eine, nämlich derjenige, auf dem ich gekommen war, führte auf der Landseite ins Freie, während man auf dem zweiten an das südliche und auf dem dritten an das nördliche Ufer der Halbinsel gelangte. Die Mündungen der beiden letzteren Pfade waren so verdeckt, daß man sie vom Fluß aus nicht sehen konnte. An dem stromabwärts gerichteten Ufer lag jetzt eine Schachtura (Schnellsegelboot), welche Jumruk gehörte. Er hatte sie sich extra zu dem Zweck bauen lassen, um mit größerer Schnelligkeit als derjenigen eines gewöhnlichen Nilschiffs von einem Ort nach dem andern zu gelangen. Die genaue Zahl der Untergebenen Jumruks konnte ich nicht erfahren; aber ich hörte, sie seien händelsüchtige und schwer im Zaum zu haltende Leute, so daß ihre Schußwaffen in einem besonderen Depot aufbewahrt werden mußten, dem sie vor jedem Gebrauch entnommen und dann wieder abgeliefert wurden. Das war es, was ich in Erfahrung brachte, zwar wenig, aber, wie sich später herausstellte, für meine Zwecke doch genug.
Nach diesem kurzen Besuch der Niederlagen ‚lebender Ware‘ brachen wir auf, Jumruk, fünf seiner Leute und ich; wir waren also sieben Personen. Der Mond stand noch nicht am Himmel; aber die Sterne leuchteten so, daß wir zur Genüge sehen konnten, als wir den Wald hinter uns hatten. Der Weg, den wir gingen, war fast derselbe, auf welchem ich gekommen war. Jumruk schritt voran, und die andern folgten ihm in der Weise, daß ich stets der Vordermann des lieben Freundes war, welcher mich erstechen sollte; glücklicherweise hatte ich seine Virtuosität im Totstechen einstweilen noch nicht zu fürchten, und für später war mir auch nicht bange.
Erst war es mein Plan gewesen, Jumruk, sobald wir das Schiff erreichen würden, festzunehmen und dann mit unsern Asakern nach der Michbaja zu marschieren. Wenn dort der Anführer fehlte, war das Gelingen eines Überfalles eher zu erwarten, als bei seiner Anwesenheit. Aber er hatte fünf Männer mitgenommen, die ich allein nicht so unschädlich machten konnte, wie es nötig war. Wenn auch nur einer von ihnen entkam, hatten wir das Nachsehen. Darum mußte ich versuchen, meinen Zweck auf eine andere Weise zu erreichen. Für jetzt war die Hauptsache, daß ich nicht mit nach der Michbaja zurückzukehren brauchte, sondern, und zwar heiler Haut, an Bord gehen konnte. Ein Mittel dazu hatte ich mir schon ausgesonnen: es mußte eine Flinte losgehen.
Wir brauchten der Dunkelheit wegen anderthalb Stunden, ehe wir an den Baum kamen, der mir als Marke diente. Da ging es langsam, sehr langsam und in völliger Finsternis rechts in den Wald hinein. Er war, wie schon erwähnt, hier nicht breit; aber bei dieser Stockdunkelheit dauerte es doch fast eine halbe Stunde, ehe wir die Lichter des Schiffes durch die Bäume leuchten sahen. Am Ufer angekommen, kauerten wir uns nieder, und ich war dabei so vorsichtig, nicht vor, sondern neben meinem freundlichen Mörder Platz zu nehmen, obgleich er dies zu vereiteln suchte. Das Schiff lag ganz nahe vor uns, und zwar so, daß wir das Deck überblicken konnten. Wir sahen die Leiche Hubahrs hängen, und wir sahen auch Abu Reqiq mit seinen Leuten; sie waren natürlich alle gefesselt.
Während meine Begleiter ihre ganze Aufmerksamkeit nach dem Schiff richteten, ließ ich meine Hand an der Flinte meines Nachbarn, deren Kolben er aufgestemmt hatte, niedergleiten und zog den Hahn auf: sie sollte es sein, die im geeigneten Augenblick losgehen mußte.
„Du hast uns die Wahrheit erzählt, Ben Sobata“, flüsterte mir Jumruk zu. „Ich sehe alles. Abu Reqiq ist gefangen, und dort ward Hubahr aufgehängt. Das Schiff liegt so nahe am Ufer, daß es gar nicht schwer ist, hinaufzukommen. Wir müssen Abu Reqiq befreien und werden damit nicht bis zum Morgengrauen warten. Jetzt haben wir genug gesehen. – Wto – – –!“
‚Wtole!‘ wollte er sagen, das für mich gefährliche Wort; aber er kam nicht dazu, es ganz auszusprechen, denn ich bewegte in diesem Augenblick den Drücker der vorhin erwähnten Flinte; der
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