29 - Im Lande des Mahdi III
eine kleine Weile und setzten dann unseren Weg fort, der uns glücklich bis an den Waldpfad brachte, welcher zur Michbaja führte.
Hier ging ich voran, und jeder folgende wurde von seinem Vordermann geführt. Das geschah so vorsichtig und leise, daß ich kaum die Schritte des Leutnants hörte, welcher hinter mir ging. So erreichten wir die Dornenwand, welche verschlossen war. Ich rief, was, das war gleichgültig, wenn nur geöffnet wurde. Es stand natürlich jetzt auch ein Posten innerhalb. Er hörte meinen Ruf und schob die Stacheltür zur Seite. Kaum hatte er das getan, so bekam er einen Kolbenhieb und wurde gebunden und geknebelt. Wir standen im Innern der ersehnten Michbaja.
Zunächst wurde die Tür wieder vorgelegt, und dann bildete ich aus meinen Leuten Abteilungen, deren jede ihre Aufgabe erhielt. Was wir zu tun bekamen, war leichter, viel leichter, als ich es gedacht hatte. Es brannten jetzt nur zwei Feuer. Die Bauwerke wurden im Nu besetzt, und dann stellte sich heraus, daß Jumruk nur neun Mann in der Seribah gelassen hatte, welche nicht einmal mit Gewehren bewaffnet waren. Sie waren leicht überwältigt. Einer von ihnen mußte den Weg nach dem südlichen Ufer zeigen, wo auch jetzt der vielbesprochene Posten stand, welcher nach dem ‚Falken‘ auszuschauen hatte und nun auch unschädlich gemacht wurde.
Jetzt machten wir uns daran, die Sklaven zu befreien, wobei ich natürlich zuerst Ssali Ben Aqil aufsuchte. Als er mich, der ich das Pflaster entfernt hatte, erblickte, rief er mir mit überlauter Stimme entgegen:
„Hamdullillah! Allah sei Lob und Preis gesagt! Also habe ich mich doch nicht geirrt! Du bist es; du bist es wirklich, Effendi! Wie recht hattest du, als du damals sagtest, daß Gott noch Wunder tue! Und nun rettest du den, der dich töten wollte jetzt zum zweitenmal! Du bist noch immer der – – –“
„Still jetzt!“ unterbrach ich ihn. „Du bist damals mein Freund und Bruder geworden und hast Gott zu danken, aber nicht mir. Du wirst mir später alles erzählen; jetzt habe ich keine Zeit, denn ehe eure Peiniger wiederkehren, müssen wir hier fertig und bereit zu ihrem Empfang sein.“
Er wurde von seinen Fesseln befreit und wollte sich im Übermaß seines Glückes und des Dankgefühles mir zu Füßen werfen; ich eilte fort, denn es gab noch sehr viel zu tun. Der Leutnant hatte mit seinen Abteilungen die Gefangenen frei zu machen; ich durchsuchte die Gebäude nach Waffen und allen andern Gegenständen, die als solche dienen konnten. Endlich fand ich das ‚Depot‘. Es war nicht viel mehr da, weil die Leute der Michbaja das meiste mitgenommen hatten; aber es wurden aus allen möglichen Dingen Waffen zum Hauen, Stoßen und Stechen geformt, und so dauerte es nicht lange, bis jeder der befreiten Sklaven mit irgendeiner brauchbaren Wehr versehen war.
Das Entzücken dieser Leute kann nicht beschrieben werden. Unter diesen Verhältnissen hätte der kühlste Nordländer nicht ruhig bleiben können. Und nun gar diese heißblütigen Afrikaner! Welch ein Springen und Tanzen, welch ein Jubeln und Schreien das war. Es dauerte sehr lange, ehe wir sie nur so weit brachten, daß sie auf uns hörten. Und welche Zeit verging erst, bis sie begriffen, was sie zu tun hatten und uns versprachen, unsere Aufgabe nicht durch ihre Gier nach Rache der Gefahr des Mißlingens auszusetzen. Dann wurde es endlich, endlich still, und Jumruk konnte mit seinen Leuten kommen.
Ich war nämlich der Ansicht, daß er, durch den Augenschein belehrt, daß der ‚Falke‘ sich in die Mitte des Flusses in Sicherheit gebracht habe, sich nicht lange besinnen werde, umzukehren. Wenn dies zutraf, so konnten wir ihn nun jeden Augenblick erwarten. Wir ließen nur ein Feuer brennen, und zwar so, daß der Schein desselben nicht weit reichte und besonders der Eingang im Dunkel lag. Dort stand ich mit Ben Nil. Die beiden Wege nach den Ufern waren so besetzt, daß es dort kein Entrinnen gab, und rund um den Platz, am Waldesrand versteckt, zog sich eine ununterbrochene Kette von Männern, welche bereit waren, auf die Sklavenhändler einzudringen, sobald mein Ruf erschallen werde. Wir hatten die Fesseln von gegen zweihundert Sklaven gelöst, also gab es, die Leute des ‚Falken‘ dazu gezählt, Arme und Fäuste genug, dem zu erwartenden Kampf schnell ein Ende zu machen, denn was den eigekerkerten bisherigen Gefangenen an physischer Kraft abging, das wurde mehr als reichlich durch ihre augenblickliche seelische Energie ersetzt.
Wir
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