Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
29 - Im Lande des Mahdi III

29 - Im Lande des Mahdi III

Titel: 29 - Im Lande des Mahdi III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Schuß krachte, und meine sechs Busenfreunde fuhren erschrocken in die Höhe.
    „Was hast du gemacht, Unvorsichtiger!“ raunte ich dem Nachbar zu. „Deine Flinte ist losgegangen!“
    „Ich kann nicht dafür“, entschuldigte er sich, indem er ganz vergaß, daß er nicht Arabisch konnte.
    „Schweig!“ bedeutete ihm Jumruk zornig. „Deine Unvorsichtigkeit hat alles, alles verdorben! Nun ist es vollständig unmöglich, daß – – –“
    „Still!“ unterbrach ich ihn. „Wenn ihr klug seid, ist noch nichts verdorben. Kommt nur schnell ein Stück vom Ufer fort!“
    Ich faßte Jumruk beim Arm und zog ihn in den Wald hinein; die andern folgten. Dies tat ich, daß sie nicht sehen und nicht hören sollten, welche Folgen der Schuß auf dem Schiff hervorgebracht hatte. Es war gewiß, daß man dort nach mir rufen, also meinen Namen nennen würde, und den durften die Sklavenhändler nicht erfahren. Als wir so weit gelaufen waren, daß diese Rufe nur undeutlich zu uns drangen, blieb ich stehen und sagte:
    „Sprecht jetzt kein unnützes Wort, denn es ist kein Augenblick zu verlieren. Wenn ich jetzt schnell an Bord gehe, wird alles noch ein gutes Ende nehmen.“
    „Wieso das?“ fragte Jumruk.
    „Der Schuß hat natürlich die ganze Besatzung alarmiert und mißtrauisch gemacht, euer Überfall kann also nur dann gelingen, wenn ich jetzt zurückkehre und sage, daß ich es gewesen bin, der geschossen hat.“
    „Maschallah! Das ist richtig; da hast du recht!“
    „Aber der Schuß fiel nahe beim Schiff; darum darf ich nicht zögern; ich muß fort. Ihr werdet Abu Reqiq doch nicht im Stich lassen?!“
    „Nein, bei Allah nein! Ihn müssen wir retten, und den Raïs Effendina und den Ben Nemsi Effendi müssen wir fangen! Hältst du es für möglich, sie zu beruhigen und ihren Verdacht zu beseitigen?“
    „Ja; aber ihr müßt bald, sehr bald kommen!“
    „Gib mir drei Stunden Zeit!“
    „Gut! Drei Stunden, aber ja nicht länger!“
    „So geh; geh schnell, sonst wird ihr Mißtrauen so groß, daß du es nicht zerstreuen kannst! Sag also Abu Reqiq, daß wir in drei Stunden, höchstens eine halbe später, hier sein werden, um ihn zu befreien! Geh! Wir müssen auch schnell fort. Kommt, ihr Leute, kommt!“
    Sie entfernten sich. Ich blieb stehen, bis ich ihre Schritte nicht mehr hörte, und kehrte dann an das Ufer zurück. Infolge des Schusses hatte man auf dem Schiff die Gefangenen rasch unter Deck geschafft; die Lichter waren ausgelöscht worden, und alle verhielten sich still außer Ben Nil, welcher an der Reling lehnte und von da herunterrief:
    „Effendi, Effendi, gib doch Antwort, sonst komme ich ans Ufer! Ist etwas mit dir geschehen?“
    „Sei doch still, Unvorsichtiger!“ antwortete ich. „Wirf mir ein Tau zu!“
    Er tat dies, und gleich darauf stand ich an Deck. Zehn Minuten später kannte jeder meinen Plan, der allerseits gebilligt wurde, und wieder zehn Minuten später standen alle waffenfähigen Männer, die ich für zuverlässig hielt, am Ufer, um von mir nach der Michbaja geführt zu werden; das Schiff aber stieß vom Land, um in der Mitte des Stromes Anker zu werfen. Dort, wo es vor einem Überfall sicher war, sollte der Steuermann, um von Jumruk gesehen zu werden, alle Lichter hissen und dann früh abwärts steuern, um auf ein von uns gegebenes Zeichen bei El Michbaja anzulegen.

Es war nicht leicht, mit einer solchen Schar durch den Wald zu kommen, in welchem man die Hand vor dem Auge nicht sehen konnte; draußen im Freien aber ging es besser; da war es jetzt sogar heller als vorher. Jumruk kam mit seinen Leuten, welche den Weg ebenso kannten wie er, natürlich schneller vorwärts als wir; dennoch konnte ich mir den Punkt ungefähr berechnen, wo wir ihm auf seiner Rückkehr begegnen mußten. Ich nahm dabei an, daß er nicht länger als eine halbe Stunde brauchen werde, um seine Leute zum nächtlichen Zug bereit zu haben. Als wir diesen Punkt beinahe erreicht hatten, ließ ich halten und gab den Befehl, daß jedes, selbst das geringste Geräusch zu vermeiden sei. Dann versteckten wir uns ins Gebüsch. Die höchst wichtige Frage war, ob die ‚Faust des Heiligen‘ bei dem Vorsatz, den Überfall noch auszuführen, überhaupt geblieben war; wenn nicht, so konnte unser ganzes Unternehmen unausführbar werden.
    Wie froh war ich darum, als wir nach einiger Zeit das Klirren von Waffen und laute Stimmen hörten. Sie kamen und marschierten mit eiligen Schritten an uns vorbei. Wir warteten etwaiger Nachzügler wegen

Weitere Kostenlose Bücher