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29 - Im Lande des Mahdi III

29 - Im Lande des Mahdi III

Titel: 29 - Im Lande des Mahdi III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mußte, daß er jenen unschätzbaren Wert besaß, infolgedessen so ein Pferd niemals verkäuflich ist. Er trug eines jener kostbaren Geschirre, welche Reschma genannt werden, und zog auch aus diesem Grund aller Augen auf sich. Ich hatte es von einem hochgestellten Perser, dem einen Dienst zu erweisen mir gelungen war, als Geschenk erhalten, und da er mir in wahrhaft edler Freigiebigkeit sein bestes Reschma ausgesucht hatte, welches nach kurdischem Begriff ein Vermögen repräsentierte, so war es kein Wunder, daß alles und alle, Männer, Weiber und Kinder, aus den nahe gelegenen Häusern gelaufen kamen, um Pferd und Ausstattung in Augenschein zu nehmen.
    Der Khan war ein roher, mit Lehm verschmierter Steinbau ohne Oberstock und mit so kleinen Fenstern, daß das Licht des Tages kaum Zutritt in das Innere finden konnte. Wenn ich mich sträflicherweise der Bezeichnung Fenster bediene, so darf man ja nicht etwa an Glasscheiben denken, sondern nur an einfache Maueröffnungen, durch welche der Wind blasen konnte, wie es ihm beliebte, und die zugleich dem löblichen Zweck dienten, dem Rauch Abzug zu gewähren, denn Schornsteine gab es nicht. Auch das Tor, welches in den Hof führte, war nur ein breites Mauerloch ohne Türflügel, und in diesem Hof sah es aus, als ob dort seit langen Jahren die Exkremente des ganzen wilden und zahmen kurdischen Tierreichs zusammengetragen und von den hohen Herren und lieblichen Herrinnen der Schöpfung breitgetreten worden seien.
    Dementsprechend war das Aussehen des Wirtes, welcher unter der Tür erschien, um uns nach orientalischer Weise unter tiefen Verbeugungen und blumenreichen Redensarten zu begrüßen. Dabei wandte er sich nicht an Hadschi Halef Omar, sondern an mich, der als Besitzer des besseren Pferdes der Herr sein mußte:
    „Willkommen, o Herr, in meinem Haus, welches dir seine zwölf gastlichen Tore mit Wonne öffnet! Allah breite tausend Segen über dich und zehntausend Segen als Teppich unter deine Füße! Nie sah ich im Leben einen edleren und vornehmeren Gast. Wünsche alles, was dein Herz begehrt, und ich werde es dir augenblicklich bringen. Mein Gesicht strahlt vor Freude über deine Ankunft wie die Sonne des Paradieses; meine Gestalt trieft von der Bereitwilligkeit, dir zu dienen; meine Hände zittern vor Begier, deine Befehle zu erfüllen, und meine Füße werden eilen wie die Flügel des Falken, alle deine Botschaften im Nu zu bestellen. Die Seele, welche meinen Körper bewohnt, soll – – –“
    „Laß sie; sie mag drin steckenbleiben!“ unterbrach ich ihn. „Ich bin nicht Freund von vielen Worten. Hast du gute Wohnung für uns beide?“
    „Az kolahme tah – ich bin dein Diener. Ihr werdet bei mir wohnen, als wäret ihr die Lieblingsfrauen des Propheten.“
    „Und das Essen?“
    „Bu kalmehta ta ßiu taksihr nakehm – um dir zu dienen, werde ich nichts sparen. Ich bin bereit, alle meine Herden für euch zu schlachten!“
    „Laß sie leben, laß sie leben! Wir kommen nicht hierher, um Herden zu verschlingen. Die Hauptsache ist, daß unsere Pferde ein gutes Unterkommen finden.“
    „Oh, Herr, sie werden Plätze finden, welche mit den Palästen Mekkas zu vergleichen sind!“
    „Gut! Zeige uns diese Paläste!“
    „So komm und setze deine Schritte in die Stapfen meiner frohbewegten Füße! Du wirst zufrieden sein mit mir, der ich der zuverlässigste aller deiner Diener bin!“
    Wir stiegen von den Pferden und dieser ‚zuverlässigste aller meiner Diener‘ setzte sich nach dem Hoftor zu in Bewegung. Seinen struppigen Kopf schmückte ein Tuch, welches eigentlich kein Tuch mehr war, sondern ein wirres Gefilz von zerrissenen Fäden. Und eine Hose wie seine Hose war keine Hose! Das unerklärliche Ding, welches ganz betrügerischerweise diesen Namen führte, war ein ausgefranster Lappen, welcher sich die ganz vergebliche Mühe gab, bis zum Knie herunterzureichen, und was die Unterschenkel betraf, so hatte es den Anschein, als ob sie von dunklen Trikotstrümpfen bedeckt seien; bei näherer Betrachtung aber zeigte es sich, daß dieser Trikotstoff der landwirtschaftlichen Goldgrube des schon erwähnten Hofes entstammte. Auch eine Jacke hatte dieser edle Kurde an, von welcher rechts der dritte und links der vierte Teil eines Ärmels vorhanden war; hinten war sie zu, wirklich zu, außer den Löchern, die es gab; vorn war sie offen, wirklich offen, denn sie war hier, wenn ich die Wahrheit sagen soll, gar nicht mehr da. Ich erblickte an ihrer Stelle eine

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