29 - Im Lande des Mahdi III
berühmte Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah. Wir brauchen nur einen Finger gegen dich zu erheben, so wirft dich der Schreck sofort über den Haufen!“
„Oho! Ich gehöre nicht zum verachteten Stand der Guranen (Bauern, die nie Kireger werden können), sondern zu den Assireten, die mit den Waffen umzugehen wissen. Es ist kein Schreck so groß, daß er mich umwerfen könnte!“
„Du wankst ja aber schon!“
„Das ist nicht der Schreck, sondern – – – sondern – – –“
„Sondern der Raki“, fiel Halef ein.
„Raki? Ich habe heute noch keinen Schluck getrunken. Du willst mir doch hoffentlich nicht die Schande antun, mich für einen Sekran ( Betrunkener) zu halten!“
„Ja, grad das tue ich!“
„Du irrst!“
„Beweise es! Ein gläubiger Anhänger des Propheten darf niemals trunken sein, und wenn er es dennoch ist, so hat jeder gute Moslem die heilige Pflicht, ihm die Sure 'l Imtihan vorzuhalten. Kannst du sie auswendig?“
„Nein.“
„So werde ich sie dir schnell vorsagen und du sprichst sie ebenso schnell nach! Also, paß auf!“ Diese Sure ist die hundertundneunte des Koran; sie lautet: „Sprich: O ihr Ungläubigen, ich verehre nicht das, was ihr verehrt und ihr verehret nicht das, was ich verehre, und werde auch nie verehren das, was ihr verehret und ihr werdet nie verehren das, was ich verehre. Ihr habt eure Religion, und ich habe die meinige.“ In der deutschen Übersetzung klingt das einfach; im Arabischen aber ist es selbst für einen Nüchternen schwierig, die Sure schnell und ohne Fehler herzusagen; ein Betrunkener gar bringt es niemals fertig. Darum pflegt man dem, den man eines Rausches zeiht, diese Sure vorzuhalten. Geht er nicht darauf ein, so gibt er dadurch zu, daß er betrunken ist, was für eine solche Schande gilt, daß niemand sich weigern wird, die Worte zu rezitieren. Auch der Wirt weigerte sich nicht; er gab sich vielmehr die größte Mühe, sie Halef nachzusprechen, mußte aber immer wieder von vorn anfangen, ohne das Ende zu erreichen.
„Gibst du nun zu, daß du betrunken bist?“ fragte mein kleiner Hadschi zornig. „– du wirst in der Dschehennah dafür büßen müssen!“
„Ich? Fällt mir nicht ein! Ich bin nur ein wenig heiter; aber wenn ihr hinein in die Stube geht, so werdet ihr einen sehen, der weder stehen noch sitzen und auch die Augen nicht mehr offenhalten kann.“
„So ist dein Haus eine Maghare er Redila, eine Höhle des Lasters, welche Allah verfluchen möge, und in deiner Stube liegt der Schmutz der Seele ebenso hoch, wie hier der Unrat des Gestankes liegt. Hast du keinen anderen, besseren Ort für unsere Pferde?“
„Einen noch besseren? Wünschst du vielleicht den siebenten Himmel Mohammeds für eure Tiere? Ist dieser Stall nicht köstlich zu nennen gegen den, in welchem ich meine eigenen Pferde habe? Hier herein lasse ich nur die Pferde vornehmer Gäste, welche bei mir einkehren.“
„So weiß ich wirklich nicht, was wir tun sollen! Sihdi, weißt du es etwa?“
„Es wird uns wohl nichts übrigbleiben, als diesen Stall reinigen zu lassen“, antwortete ich. „Zunächst aber wollen wir einmal sehen, was wir selbst hier zu erwarten haben. Hast du vielleicht einen Extraraum für vornehme Gäste?“
„Nein“, antwortete der Wirt, an den ich diese Frage gerichtet hatte. „Vor Allah sind alle Menschen gleich; darum setzen sich auch die Vornehmen dorthin, wo die Niedrigen sitzen.“
„Das ist drin in der Stube, wo sich der Betrunkene befindet?“
„Ja.“
„Die wollen wir uns doch einmal ansehen!“
Wir banden die Pferde für kurze Zeit im Hof an und ließen uns von ihm in die Gaststube führen. Diese war lang und breit, aber sehr niedrig. Sie nahm den größten Teil des Hauses von der Tür bis zur Giebelseite ein. Die Diele bestand aus festgeschlagenem Lehm; es gab einige sehr primitiv in den Boden gerammte Tische und Bänke und an der Hinterwand lehnten mehrere über mannshohe Weidengeflechte, deren Länge der Breite der Stube gleich war. Diese Flechtwerke werden in Kurdistan viel als transportable Wände gebraucht, um je nach Bedarf aus einem größeren Raum mehrere kleinere oder umgekehrt zu machen.
Es war nur ein einziger Gast zu sehen, welcher an einem der Tische in der Weise hockte, daß er das Gesicht auf die Arme gelegt hatte. Vor ihm stand eine tönerne Flasche mit zwei kleinen, ebenso tönernen Trinkgefäßen, aus denen jedenfalls der Raki getrunken worden war, welcher den
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