29 - Im Lande des Mahdi III
vorüber. Es war nicht ganz leicht, unbemerkt an und in das Zelt zu gelangen, da die Wächter jedenfalls in der Nähe desselben saßen, aber wir brachten es dennoch fertig. Im Innern angekommen, legte ich mich nieder, kroch nach dem Eingang und schob den Vorhang ein wenig zur Seite. Mein Auge war an die Dunkelheit gewöhnt, und das Blätterdach hatte über uns einige größere offene Stellen. Ich konnte mehrere Schritte weit sehen.
Gerade vor dem Zelt, mir den Rücken zukehrend, saßen die beiden Wächter; zu ihren Füßen lagen Ben Nil und Selim; links dann sah ich die Gestalten der schlafenden Asaker ausgestreckt.
Diese mir so bequeme Situation veranlaßte mich, unter dem Vorhang hindurchzukriechen und die Pistole Ibn Asls hervorzuziehen; es war eine alte, schwere Waffe. Zwei kräftige Hiebe mit dem Kolben derselben, gegen die Köpfe der Wächter geführt, genügten, die Getroffenen niederzustrecken. Dann rasch zu Ben Nil. Er schlief nicht und erkannte mich sofort.
„Effendi“, flüsterte er mir zu, „du bist frei?“
„Ja. Sei still, damit keiner erwacht!“
Ich zerschnitt ihm den Beinriemen und schob den Pflock seiner Schebah zurück. Er konnte sich erheben, mußte aber die Hände leider noch in den eisernen Schellen behalten.
„Da rechts liegt der Pack mit unseren Gewehren“, raunte er mir zu. „Gib mir das meinige! Zuschlagen wenigstens kann ich damit trotz meiner Fesseln.“
„Jetzt nicht. Komm in das Zelt! Die Djangeh könnten dich sonst mit einem Askari verwechseln.“
„Die Djangeh? Was ist mit ihnen? Wie kämen sie dazu – –“
Ich ließ ihn nicht ausreden und schob ihn in das Zelt. Und da endlich begann es, sich rechts von demselben zu regen. Die Schwarzen hatten, einer immer von dem andern, erfahren, daß ihr Häuptling hier sei, daß Ibn Asl ihn hatte ermorden lassen wollen und daß sie selbst von diesem für die ihm geleisteten Dienste später als Sklaven verkauft werden sollten. Sie kamen leise nach dem Zelt, neben welchem ein großer Haufen von Stricken und Riemen lag, für die Bewohner von Wagunda bestimmt; sie nahmen davon, soviel sie zu brauchen gedachten, um die Asaker zu binden.
Hundert Djangeh und dreißig Weiße; infolgedessen hatte ich dem Häuptling durch den Dolmetscher angedeutet, daß immer drei Schwarze einen Askari auf sich nehmen sollten und daß der Angriff gleichzeitig auf alle erfolgen solle, damit nicht einer infolge des Warnungsrufes des andern entkommen könne. Er hatte diese Weisung seinen Leuten gut eingeprägt, und ebenso prompt wurde sie von denselben ausgeführt. Sie kamen lautlos wie Gespenster heran und wählten je drei ihren Mann. Sich auf ihn werfen, ihn entwaffnen und binden, war das Werk nur einiger Augenblicke. Ein sorgfältig darauf eingeübtes Korps hätte nicht besser und exakter handeln können. Es entkam kein einziger Askari, und ebenso war kein einziger dazu gekommen, von einer Waffe Gebrauch zu machen.
Als dies vorüber war, wurden Feuer angebrannt, was der besseren Orientierung wegen notwendig war. Die Szene, welche es nun gab, war halb heiter und halb rührend. Zunächst heiter natürlich nur für uns, die Sieger. Natürlich wurde Ben Nil sofort von seinen Handschellen und auch Selim von seinen Fesseln befreit. Was für Gesichter machten nun die Asaker, als sie uns drei frei und so freundlich mit ihren bisherigen Verbündeten verkehren sahen! Sie fluchten und wetterten, doch vergeblich. Die einzige Folge ihrer Grobheiten war, daß sie zu den bisherigen Riemen nun auch Ketten und Schebahs angelegt bekamen. Es waren deren genug vorhanden; Ibn Asl hatte sie für die Leute von Wagunda mitgebracht. Und rührend war die Szene für Ben Nil, und zwar in Beziehung auf die Djangeh. Sie hatten uns, die wir doch ihre jetzigen und eigentlichen Retter waren, so feindselig behandelt. Das baten sie uns ab. Jeder einzelne wollte uns ein gutes Wort sagen und eine Hand von uns haben. Es versteht sich von selbst, daß der Dolmetscher dabei seine liebe Not hatte.
Als die nötige Ordnung hergestellt war, schickte ich Ben Nil und Selim fort, um Ibn Asl und seine Wächter herbeizuholen. Ihnen konnte ich diese Aufgabe wohl anvertrauen, da er von ihnen nicht eine Spur von Nachsicht zu erwarten hatte. Sie nahmen eine Schebah und zwei Handschellen mit. Diesen Schmuck trug er, als sie ihn brachten. Ich wollte gar nicht mit ihm sprechen, ihm meine Verachtung zeigen; aber da er sich vor mich hinstellte, mich aus haßerfüllten Augen anblitzte und mir einen nicht
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