290 - In den Gärten von Sha'mar
nahezu fließend.
Ihr Opfer kam herangestakst, die umgeschnallten Bretter mit jedem Schritt weit vor sich her schiebend. Tücher verbargen ihn fast zur Gänze, bloß Augen und Nase stachen aus dem grauen Einerlei hervor. Sein Atem ging keuchend, die Arme bewegten sich zittrig. Der Marsch hatte ihn viel Kraft gekostet. Erschöpft hievte sich der Mann aufs Festland, tat ein paar gleitende Schritte und ließ sich dann zur Seite fallen.
Matt erhob sich aus seinem Versteck; einer Kuhle, die sonst wahrscheinlich den großen Raubechsen als Ruheplatz diente. Gemeinsam mit seinen Begleitern pirschte er sich an den Sumpfbewohner heran.
Der bemerkte sie zu spät. Trotz seiner offensichtlichen Schwäche rollte er sich herum, schleuderte die Tücher in ihre Richtung und wollte eine dolchähnliche, gekrümmte Waffe aus dem Hosenbund ziehen.
»Lass es bleiben, Junge«, sagte Alastar unaufgeregt und ließ den Speer blitzschnell nach vorn schnellen. Die Spitze durchdrang den Stoff an der Schulter seines Waffenarms. Blut färbte das Gewand rot.
Der junge Mann sackte zurück auf den Grund und fletschte die Zähne wie ein in die Enge getriebenes Raubtier. Doch als Xij Hamlet auf seine Brust sprang und ihm ein Messer an die Kehle hielt, gab er seinen Widerstand auf.
»So ist es gut, Kleiner«, sagte Alastar. »Ich sehe, wir verstehen uns.«
Xij durchfilzte seine Taschen und brachte mehrere Schneidewaffen und Werkzeuge zutage. Nach einer Weile gab sie Alastar ein Zeichen, den Speer zu lösen, und sprang auf. »Name?«, fragte sie.
»Mowgra«, antwortete der junge Mann nach einer Weile. Er war keine zwanzig Jahre alt. Das schulterlange, kohlrabenschwarze Haar war verfilzt, auf seiner Stirn stand Schweiß. Er wirkte intelligent - und verschlagen. Sicherlich verstand er, dass alleinig die Bereitschaft zur Zusammenarbeit sein Leben sichern würde.
»Du bist ein Nohq'wa?«, fragte Matt und trat näher an ihn heran. In den Augen des Burschen war keine Angst zu sehen, bloß Respekt.
»Nein. Ich stamme aus Kuusj, drei Tagesmärsche nördlich von Nohq'wa -«
»Du lügst!«, unterbrach ihn Alastar und setzte Mowgra mit beinahe gelangweilter Miene die Speerspitze an die Kehle. »Wir haben deine Spuren verfolgt; du warst mit den Nohq'was unterwegs!«
»Ich habe keinen Grund zu lügen!« Blanke Abscheu zeigte sich in Mowgras Gesicht. »Ich habe mit den Nohq'was nichts zu schaffen; ich hasse sie sogar! Ich verfolge sie und hoffe, dass sie mich an mein Ziel bringen.«
»Du verfolgst sie?« Matt schob Alastar beiseite. »Warum bist du dann hierher ausgewichen?«
»Das Land ist zu eben, zu übersichtlich. Wenn ich ihnen weiter auf direktem Weg nachgejagt wäre, hätten sie mich bemerkt. Ich wollte sie überholen, deshalb habe ich den Weg durch den Nordteil des Sumpfs gewählt…«
»Du kennst ihr Ziel?«
»Sie wollen in die verborgenen Gärten von Sha'mar. Zur Kultstätte. Ich weiß, wo ungefähr das Gebiet liegt, doch der Zugang ist stark gesichert. Also wollte ich sie überholen, ihnen an der Pforte des Induus auflauern und den Platz eines Nohq'was einnehmen, um unerkannt hineinzugelangen.«
»Unglaubwürdig!«, kommentierte Alastar. »Der Kerl lügt. Überlasst ihn mir für eine Stunde, dann wird er singen wie ein Vögelchen.«
Matt beachtete ihn nicht. »Was ist der Grund für deinen Hass auf die Nohq'was?«, fragte er den Burschen.
»Ihr Kult. Ihr Gott. Diese widerlichen Rituale, die Menschenopfer…« Mowgra schlug die Hände vors Gesicht, als schämte er sich… oder weinte er etwa?
»Erzähl uns, was du weißt«, forderte Matt ihn auf.
»Die Urquu't-Stämme lebten über Generationen hinweg im Streit«, begann der junge Mann, nachdem er sich einigermaßen beruhigt hatte. »Erst der Kampf gegen jene Wesen, die die Ebene aus dem Norden kommend erobern wollten, stärkte unsere Gemeinsamkeiten. Für einige Jahre herrschte Frieden. Doch kaum war die Gefahr gebannt, besannen sich einige Dörfer wieder der alten, unheiligen Riten. Gott Oguul, so sagten dessen Anhänger, zürne uns, weil wir ihm so lange nicht geopfert hätten, und er fordere mehr Leben als zuvor.«
Mowgra ließ sich auf den Boden sinken. Seine missliebige Situation schien ihn nicht mehr zu kümmern. Er wirkte gebrochen - und unendlich müde.
»Oguul ist eine Seuche, die uns seit Jahrhunderten begleitet. Ein Gott, der alle anderen Götter verdrängen möchte. Einige Menschen behaupten, ihm leibhaftig gegenübergestanden zu sein, und sie pflegen eine unheilige
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