292 - Chimären
Stimme und musste sich an der Wand abstützen. »Willst du mich jetzt holen? Nein, bitte, ich bereue schon lange, was ich getan habe… Es war ein Fehler, dich in die Lava zu stoßen, ein unverzeihlicher Fehler…« Lobsang fiel auf die Knie, hob betend die Hände und murmelte wirres Zeug.
Die beiden Geister verloren schlagartig das Interesse an den Menschen. Sie drehten sich stattdessen umeinander und wirkten plötzlich wie ein Wirbel aus Nebelschwaden. Dann verschwanden sie durch die Decke.
Alastar hatte Mühe, den zitternden Lobsang auf die Beine zu stellen. Zwei kräftige Ohrfeigen brachten ihn wieder auf Kurs. Der Chefexekutor hatte keine Ahnung, was da gerade passiert war, und beschloss die Erscheinungen erst einmal zu ignorieren. Jetzt gab es Wichtigeres.
Kurze Zeit später kamen sie in ein Felslabyrinth. Auf dem Weg hatten sie drei weitere dieser seltsamen Geistersichtungen. Jedes Mal handelte es sich um andere Personen, einmal sogar um ein Kind, das wie ein Hund auf allen vieren umhersprang. Unheimlich… aber offensichtlich harmlos.
Nach der Passage zweier Schleusen betraten sie eine riesige Höhle. Alastar staunte. Entlang der Wände, bis unter die Decke, standen Regale, in denen Hunderttausende von Büchern, Pergamentrollen, Lehmtafeln und Speicherkristalle lagerten. Auf jeder Seite befanden sich je zwei kleine stationäre Kräne, an deren Auslegern Glasgondeln hingen, mit denen man wohl jedes der Schriftwerke erreichen konnte.
Eine derart gigantische Bibliothek hatte Alastar noch niemals zuvor gesehen - aber sie interessierte ihn nicht. »Los, weiter«, drängte er. »Ich will endlich die Schätze sehen!«
Lobsang Champa wirkte verstört. »Aber… das sind sie doch«, sagte er. »All die vergoldeten Bauten und Kunstwerke sind nur Blendwerk, mit einer dünnen Schicht Blattgold überzogen. Sie verfallen mit der Zeit. Das aber ist das Wertvollste, was Agartha zu bieten hat.«
Alastar verstand nicht. Oder wollte nicht verstehen. »Du verarschst mich. Ich will keine Bücher oder wertlosen Speicherkristalle sehen. Führ mich zu den wirklichen Schätzen Agarthas.«
»Das hier ist Agarthas größter Schatz«, beharrte der König verwirrt. »Die Bibliothek, in der das gesamte Wissen der Welt und der Menschheitsgeschichte aufbewahrt wird. Einen größeren Reichtum gibt es wahrlich nicht.«
Alastar brüllte auf vor Wut und Enttäuschung. »Das ist nicht dein Ernst! Das kann unmöglich alles sein!«
Lobsang Champa missverstand ihn gründlich. »Natürlich nicht«, sagte er dienstbeflissen. »Die Bibliothek umfasst insgesamt vierzehn Höhlen. In der hintersten lagern die Augen der Göttin Khom, die unsere Vorfahren einst aus Atlassa mitgebracht haben. In ihnen ist das wertvollste Wissen überhaupt gespeichert: das über den Kontinent unserer Ahnen nämlich.«
Wieder brüllte Alastar auf. »Du stinkende Taratze! Du hältst mich zum Narren!« Er holte aus und schlug dem König ins Gesicht. Der taumelte nach hinten, fiel gegen ein Regal, rutschte daran herunter und blieb mit blutender Nase auf dem Boden sitzen.
»Na warte, ich kriege die Wahrheit noch aus dir heraus.« Alastar war davon überzeugt, dass der König ihn verspottete. Ich hätte ihn gleich hypnotisieren sollen, dann wäre mir das erspart geblieben , dachte er grimmig - und ging daran, Lobsang Champa auf die bewährte Weise unter Kontrolle zu bringen.
Er hatte noch nicht richtig angefangen, als hinter ihm ein Geräusch ertönte. Er fuhr herum - und starrte in ein von Hass verzerrtes Gesicht.
»Wie hast du das geschafft?«, fragte er und bereitete sich auf den Kampf vor.
***
Eine Stunde zuvor
Der ZERSTÖRER prallte erst gut einen Kilometer tiefer auf den Boden der Felsspalte, nachdem er zuvor etliche Male gegen die Wände geschlagen war. Die Chimäre erhob sich sofort wieder und begann an den fast senkrechten, zerklüfteten Felsen emporzuklettern. Ohne Probleme schlug sie ihre Krallen in den Stein und fand so festen Halt.
Es dauerte eine ganze Weile, bis der ZERSTÖRER den Rand des Abgrunds erreichte und wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Den Boden der Geheimen Kammern .
Nicht weit entfernt sah er ein paar Soldaten vor einem Felsen stehen, in den eine Tür eingelassen war. Die Sicherheitskräfte standen Wache im Beta-Bereich, um sein eventuelles Wiederauftauchen sofort zu melden, aber das wusste die Chimäre natürlich nicht. Die Menschen standen ihr im Weg, also machte sie sich daran, die potenziellen Feinde rasch zu
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