292 - Chimären
verfolgten gespannt das dramatische Geschehen.
»Das ist sicher das ›Problem am Luftschiffhafen‹, das Lodrö erwähnt hatte«, murmelte Matt.
Wie aufs Stichwort trat ihr Führer und Übersetzer ins Zimmer. Sie erfuhren, dass Lhündrub, der beste Luftschiffer des agarthischen Reichs, das Unmögliche möglich machen wollte. Man munkelte aber auch, dass er selbst nicht unschuldig am Absturz des Uranfrachters sei.
»Uran«, murmelte Matt. »Ein Teufelszeug. Macht ihr daraus Brennstäbe für eure Kernkraftwerke?«
»Ja, unter anderem«, antwortete Lodrö.
»Und was hat es mit diesem Lhündrub auf sich?«, fragte Aruula.
»Eigentlich ist der Kerl verrückt, besessen davon, Yeetis zu jagen, dabei hat außer ihm selbst noch niemand einen gesehen. Er hat schon viel Mist gebaut, aber auch viel Gutes bewirkt. Die Medien lieben ihn, weil er eine interessante Persönlichkeit ist.«
Lhündrub gelang es dieses Mal, sein Luftschiff über dem Wrack zu halten. Vom Boden der Gondel löste sich eine Frau. Sie wurde abgeseilt und trug dabei ein mächtiges verschnürtes Paket vor Brust und Bauch, das sie geschickt mit einem Karabinerhaken am Wrack festmachte. Ohne das Paket wurde sie wieder nach oben gezogen.
In rascher Folge, aber doch mit der nötigen Ruhe befestigte sie auf diese Weise fünf weitere Pakete an dem Wrack. Lhündrub hielt das Rettungsschiff dabei stabil in der Luft.
Lodrö schaute mit leuchtenden Augen zu. »Gleich werden die angebrachten Rettungsballons per Fernbedienung aufgeblasen. Sie sollen das Schiff so lange in der Luft halten, bis Menschen und Material gerettet sind. Eine großartige Leistung von Lhündrub und der Unbekannten. Dank des Funkbildteams werden ihnen alle Agarther zujubeln.«
»Wenn wir Gutes tun, ist nie ein Funkbildteam dabei«, seufzte Aruula entsagungsvoll.
»Das fehlte gerade noch«, murmelte Matt in seinen imaginären Bart. »Da könnten sie ja gleich unsere Abenteuer als Romanserie vermarkten.«
Nachdem die Rettungsaktion in der von Lodrö beschriebenen Weise erfolgreich beendet war, machte sich die Gruppe geschlossen auf den Weg zur Krankenstation, um nach Xij zu sehen.
Sie fanden sie in einem erbarmungswürdigen Zustand vor. Die junge Frau, die auf dem Bett fixiert worden war, weil sie sich immer wieder das Nachthemd vom Leib gerissen und um sich getreten hatte, wurde künstlich ernährt. Sie drehte und wand sich in den Gurten, starrte ihre Besucher aus großen Augen an - und durch sie hindurch.
»Die fürchterliche Maschine«, brabbelte sie in Deutsch. »Sie ruft mich. Muss hin. Sofort hin. Neiiiiin!«, brüllte sie unvermittelt los. Sie bäumte sich in den Gurten auf, versuchte ihre Beine zusammenzupressen. Ihr Gesicht war fast bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. »Nein, bitte nicht. Was tut ihr?«, fragte sie flehend und voller Angst. »Verschont meine Jungfräulichkeit, bitte. Ich gehöre nur Niccolò Polo…«
»Xij, hörst du mich?«, fragte Aruula leise und versuchte ihre Hand zu nehmen. Sie entzog sie ihr mit einem hysterischen Schrei. Gleich darauf schienen ihre Zähne aufeinander zu klappern.
»O mein Gott…« Matt lief es eiskalt über den Rücken. Das war kein Zähneklappern. Er wusste es besser, weil er es verstand. Xij redete hydritisch ! Sie verfluchte jemanden in die tiefste Hölle. Ihren Peiniger, von dem sie träumte?
Dann gingen die Klacklaute schlagartig in ein Sprachenmischmasch über, dem Matt nicht mehr folgen konnte.
Da Xij nicht ansprechbar war, verließen sie die Krankenstation wieder. Sie verbrachten den Tag unter Lodrös Führung in Agartha. Matt kam nun endlich dazu, ihn nach der hier angewandten Beleuchtungstechnik zu fragen.
»Agartha wird von einem ausgeklügelten Spiegelsystem beleuchtet«, erklärte der Mönch bereitwillig. »Die Spiegel bilden die Lichtverhältnisse der Außenwelt in den Wohn- und Wirtschaftskavernen Agarthas ab. So haben wir auch im Königreich der Welt den natürlichen Tages- und Nachtrhythmus, der sich für das Wohlbefinden als am besten herausgestellt hat…«
Alastar war zu diesem Zeitpunkt seit einer guten Stunde nicht mehr bei ihnen, hatte sich mit der Entschuldigung, er brauche Ruhe und Zeit für sich, in seine Räume zurückgezogen.
In Wahrheit wartete er auf Khyentse, die ihn zu sich rufen würde. Er hatte die Große Rätin hypnotisiert und sie somit fest in der Hand. Wenn sie ihn täglich zu sich holte, befolgte sie nur einen der posthypnotischen Befehle, die er ihr eingepflanzt hatte.
Tatsächlich
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