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294 - Der Keller

294 - Der Keller

Titel: 294 - Der Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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und Müßiggang bei ihm ein.
    Die Rückkehr des Magisters machte dem ein Ende. Und sie markierte auch den generellen Wendepunkt in Jurgis' neuem Leben.
    Denn er wurde von dem Mann, dem er am meisten vertraute, aus dem verjagt, was er für sein Paradies gehalten hatte.
    ***
    Vom Tag seiner Heimkehr an wirkte Alvarus Grauberg sonderbar verändert. Schon die erste Begegnung machte Jurgis dies bewusst. Er lief seinem Mentor zufällig in einem der Hausflure über den Weg und hatte im ersten Moment das Gefühl, als ob der Magister versuchte, noch schnell in einer der Türen zu verschwinden. Doch Jurgis' freudiger Ruf ließ ihn innehalten.
    »Herr…«
    »Ich habe jetzt keine Zeit, mein Kind.«
    »Aber ich versuche seit langem -«
    »Später. Sobald sich eine Gelegenheit ergibt! Dringende Geschäfte, du verstehst. Ich bin gerade erst von Verhandlungen nach Hause gekommen. Lass mir etwas Zeit, die wichtigen Dinge zu erledigen. Bis bald!«
    Mit diesen Worten setzte er sich hinter eine der Türen ab und schloss sie rasch hinter sich.
    Jurgis war ganz perplex. Und ich? , dachte er. Bin ich nicht… wichtig?
    Was hatte den jähen Wandel im Verhalten des Magisters verursacht? War er wirklich so überhäuft mit Arbeit, dass er nicht einmal mehr die Zeit fand, Jurgis angemessen zu begrüßen?
    Völlig verunsichert verließ der Hermaphrodit das Haus und schlenderte durch den Park. Es gab dort einen kleinen Teich mit einer Bank am Ufer. Darauf setzte sich Jurgis und starrte auf die Fische, die dicht unter der Wasseroberfläche schwammen.
    Plötzlich räusperte sich jemand hinter ihm.
    Er wurde aus seinen schwermütigen Gedanken gerissen, und als er den Kopf drehte, sah er ein Mädchen, das die Haube und Schürze einer Köchin oder Küchenhilfe trug.
    »Bist du der Junge, der…« Sie errötete und verstummte. Die Verlegenheit war ihr anzusehen.
    »Der was?«, fragte er unwirsch. Aber er wusste ja, dass die Bediensteten Bescheid über ihn wussten.
    »Na ja, der… der auch ein Mädchen ist.«
    Er nickte herausfordernd, auch wenn der Stolz, den er zu vermitteln versuchte, nur gespielt war. »Und wenn? Wer bist du dann? Das Mädchen, das auch ein Junge ist?« Er lachte bitter, wollte einfach nur wieder alleingelassen werden.
    Aber sie schien sich vor schwierigem Umgang nicht zu scheuen. »Sei nicht so abweisend. Ich meine es nur gut.«
    »Mit wem? Mit mir? Ich brauche kein Mitleid! Für dich bin ich gewiss auch nur eine Kuriosität!«
    »Man merkt, du kennst mich nicht. Und dass du kein Mitleid brauchst, mag sein. Aber Mitgefühl braucht ein jeder.«
    »Was ist der Unterschied?« Er hatte sich schon wegdrehen wollen, aber etwas an ihr weckte die Bereitschaft, mehr Zeit mit ihr zu verbringen.
    »Mitleid ist das, was man einem geschundenen Tier entgegenbringt.«
    »Genauso fühle ich mich, wie ein -«
    Sie ließ ihn nicht ausreden. » Mitgefühl hat man mit Menschen, deren Schicksal einem nahe geht.«
    »Und dir geht mein Schicksal nahe? Was weißt du schon davon?«
    »Nicht viel. Aber ich habe dich schon oft aus der Ferne beobachtet und wollte dich kennenlernen. Du scheinst nett zu sein.«
    »Der Schein kann trügen.«
    »Du gibst niemandem eine Chance, was?«
    »Ich wurde gerade sehr enttäuscht.« Es fiel ihm schwer, es auszusprechen. Aber seit der kurzen Begegnung mit dem Magister war er völlig durch den Wind. Er fühlte sich im Stich gelassen.
    »Von Meister Grauberg?«
    »Meister Grauberg - so nennst du ihn?«
    Sie nickte.
    Er rutschte etwas zur Seite und zeigte auf die freie Sitzfläche. »Willst du dich zu mir setzen?«
    Sie zögerte. »Wenn man uns sieht… Ich weiß nicht, ob ich -«
    Er nickte. »Schon gut. Geh ruhig.« Er wandte sich wieder den Fischen zu und wartete darauf, ihre sich entfernenden Schritte zu hören. Stattdessen huschte sie um die Bank herum und setzte sich. »Egal«, keuchte sie.
    »Was ist egal? Ob man dich mit mir sieht?«
    »Ja.«
    »Bist du schon lange in Diensten des Magisters?«
    »Nein. Die Stelle wurde letzten Monat frei. Meine Vorgängerin erkrankte schwer; ich glaube, sie ist gestorben.«
    Davon hatte Jurgis gar nichts mitbekommen. Er musterte das Mädchen genauer. Sie hatte schöne dunkle Augen und ein anmutiges Gesicht, dazu schwarze hochgesteckte Haare und hochstehende Wangenknochen mit einem fast ein wenig zu klein wirkenden Mund. Dafür waren ihre Augen groß und dominant. Jurgis fühlte sich davon sofort angezogen.
    Als er merkte, dass sie ihn ebenso genau studierte, verlor er seine gerade

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