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294 - Der Keller

294 - Der Keller

Titel: 294 - Der Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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Grauberg demnach schon seit vielen Jahren. Vielmehr deuteten sie darauf hin, dass der Gelehrte ein eigenes, ganz enormes Schutzbedürfnis hatte.
    Was dafür sprechen könnte, dass er Feinde hat , dachte Jurgis, während er durch das parkartige Geläuf flanierte.
    Die Umgebung des Graubergschen Anwesens war eher ärmlich, so wie fast alle Bereiche, die Jurgis während der Kutschfahrt gesehen hatte.
    Diese Armut war Jurgis' wahre Welt. Sein Tėvas war nicht wohlhabend gewesen, hatte gerade genug gehabt, um sich und ihn zu ernähren. Grauberg hingegen lebte in einem schier aberwitzigen Prunk, den sich Jurgis lange nicht erklären konnte.
    Eines Tages sprach er ihn direkt darauf an.
    Insgeheim hatte er eine Zurechtweisung seines Mentors erwartet, aber der Magister überraschte ihn mit den Worten: »Du siehst mich bislang nur als Forschenden, der den Geheimnissen der Wissenschaften auf den Grund geht. Aber das ist nur eine Seite von mir. Die andere weiß durchaus Gewinnbringendes mit Erkenntnisgewinn zu verbinden. Ich hatte großes Glück, schon in früher Jugend mit Menschen in Kontakt zu kommen, die unter der Erde lebten und mich an das Erbe unserer großen Vergangenheit heranführten.«
    Jurgis sah ihn ratlos an, und Grauberg schüttelte den Kopf. »Genug der Theorie«, sagte er kurzentschlossen. »Wie es der Zufall will, erwarte ich für heute Abend einige Geschäftspartner, die weitestgehend in meinem Auftrag unterwegs sind und mit reicher Beute zurückkehren. Wenn du willst, mache ich dich mit ihnen bekannt.«
    Jurgis willigte ohne nachzudenken ein.
    Sein Retter und Lehrmeister erwartete Besuch?
    »Falls sie bis zum Abend nicht hier sind, gehst du zu Bett wie stets«, sagte Grauberg. »Ich lasse dich dann wecken und dazu rufen, selbst wenn es späte Nacht wird. Willst du das?«
    »Aber ja!« Jurgis spürte, dass er sich diese Gelegenheit, mehr über seinen Wohltäter zu erfahren, nicht entgehen lassen durfte.
    »Dann ist es ausgemacht.«
    ***
    Zur Mitte der Nacht wurde Jurgis von einem Diener wachgeschüttelt. »Der Herr erwartet dich. Steh auf, zieh dich an und folge mir!«
    Nachdem Jurgis den Schlaf abgeschüttelt hatte, tat er, wie ihm geheißen, und schon kurze Zeit später hastete er hinter dem Angestellten her in einen Seitenflügel des großen Hauses.
    In einem Raum, den Jurgis noch nie zuvor betreten hatte, standen wuchtige, mit dunklem Leder bespannte Sessel im Halbkreis um einen großen offenen Kamin herum. Außer Grauberg hatten sich noch drei weitere Männer vor dem wärmenden Feuer versammelt, und ein jeder hielt einen Trinkpokal in Händen. Gerade schenkte sich einer von ihnen aus einer Glaskaraffe nach.
    Bei Jurgis' Eintreten erstarben die angeregten Gespräche abrupt und alle Augen wandten sich ihm zu, während der Diener sich mit einer Verbeugung bereits wieder empfahl.
    Der Magister winkte Jurgis, der scheu von einem Fremden zum anderen blickte, zu sich heran und zeigte auf den freien Sessel neben sich. »Komm, mein Kind, setz dich zu uns. Das hier sind gute Männer, mit denen ich außerordentlich zufrieden bin - so wie mit dir auch! Du hast solche Fortschritte gemacht, dass ich es nur loben kann. Deine Sprache ist flüssig, deine Körperbeherrschung nahezu perfekt. Und das in so wenigen Monaten! Komm schon, geniere dich nicht. Du bist willkommen.«
    Die Fremden nickten freundlich, aber sie waren aus einem ganz und gar anderen Holze geschnitzt als der Magister. War er ein Mann des Geistes, so waren sie die geborenen Abenteurer, und das war ihnen in jeder Kerbe ihres Gesichts ebenso anzusehen wie der robusten Kleidung, an deren Gürtel offen Waffen geführt wurden.
    Jurgis spürte, wie sein Herz fast so heftig zu pochen begann wie an dem Tag, als man ihn aus seinem Kellerloch herausgeholt hatte. Leichtfüßig begab er sich zu dem Platz, den Grauberg ihm wies. Als er sich in das Polster niedergelassen hatte, reichte der Magister ihm einen halb gefüllten Pokal und sagte: »Zur Feier des Tages, mein Lieber! Versuch es, es wird dir munden.«
    Jurgis kannte Sherry nur vom Hörensagen und einigen Gelegenheiten, bei denen Grauberg abends allein an einem Gläschen genippt hatte. Schon der Duft, der ihm in die Nase stieg, war betörend.
    Er bedankte sich artig und sah zu, wie ihm die anderen zuprosteten. Nach einigem Zögern benetzte er die Oberlippe mit dem Getränk und leckte sie sich mit der Zunge ab.
    Der exotische Geschmack war das eine - die Wirkung etwas völlig anderes. Da er noch niemals im

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