2945 - Sterben geht ganz einfach
irgendwo hinter dir auf der Treppe. Dass er die Tür geöffnet und wieder geschlossen hatte, war ein Trick, mit dem er vortäuschte, durch diese Tür geflohen zu sein. Er schlug dich von hinten nieder – und verschwand dann wie ein Gespenst. Ungesehen, ungehört und ohne Spuren zu hinterlassen.«
»Außer dem Toten hier«, sagte Lieutenant Donovan. »Er befindet sich jedenfalls noch im Haus. Meine Leute bewachen alle Ausgänge und versichern mir, dass niemand das Gebäude verlassen hat. Allerdings hilft uns das nicht viel weiter. Es befinden sich Hunderte von Menschen in diesem Gebäude, und es gibt unzählige Orte, an denen der Mörder die Schusswaffe verstecken kann.«
***
Phil und ich überließen die Spurensicherung am Tatort den Cops von Lieutenant Donovan. Wichtiger als Fingerabdrücke auf dem Treppengeländer zu suchen war mir, mit Folsom, dem Hoteldirektor, zu sprechen. Auch Donovan wollte bei diesem Gespräch unbedingt dabei sein.
Folsom lag so schlapp in seinem Sessel hinter seinem riesigen Schreibtisch, als sei er nicht mehr viel lebendiger als Benton. Sein Gesicht war blass, auf seiner Stirn standen riesige Schweißtropfen, die er alle paar Sekunden mit einem blütenweißen Taschentuch abwischte.
»Zwei Morde innerhalb von 24 Stunden!«, jammerte er. »Das ist das Ende! Das Ende unseres guten Rufs und das Ende des Hotels. Wer steigt schon ab in einem Haus, in dem ständig Leute umgebracht werden.«
Mir fiel nicht viel ein, was ich ihm hätte sagen können, um ihn zu trösten. Ich dachte auch nicht lange über trostspendende Worte nach. Der Mann war ein Zeuge, und ich musste ihn zum Reden bringen.
»Sie sind einer der letzten Menschen, die Benton vor seinem Tod gesehen haben, Mister Folsom«, sagte ich. »Und der Letzte, der mit ihm gesprochen hat.«
»Außer dem Mörder«, verteidigte sich Folsom.
»Der Mörder hat nichts gesagt, sondern nur dreimal abgedrückt. Als Konversation würde ich das nicht bezeichnen. Aber Sie haben wenige Sekunden vorher mit Händen und Füßen auf Benton eingeredet. Was haben Sie ihm gesagt?«
Folsom wischte sich wieder den Schweiß von der Stirn. Sein Taschentuch war fast so groß wie ein Handtuch. Es verdeckte für einige Sekunden völlig sein Gesicht. Folsom wollte offenbar nicht verraten, wie angestrengt er nach einer glaubhaften Antwort suchte.
»Weiß nicht mehr«, behauptete er. »Ich habe heute schon mit unzähligen Leuten gesprochen. Irgendeine völlig unbedeutende Sache.«
»Nach diesem völlig unbedeutenden Gespräch drehte er sich um, rannte davon, als sei der Teufel hinter ihm her, und stand ein paar Sekunden später seinem Mörder gegenüber«, beharrte ich. »Ihre Worte müssen ihm eine höllische Angst eingejagt haben.«
»Ich wüsste nicht, weshalb. Es war, wie gesagt, ein völlig bedeutungsloses Gespräch.«
»Sie haben ihm also nicht gesagt, dass es für ihn ratsam wäre, sofort zu verschwinden?«
»Das brauche ich keinem unserer Gäste zu sagen. Nach diesem zweiten Mord werden die Leute sowieso in Scharen fliehen.«
»Erst wenn wir alle vernommen haben, die wir vernehmen wollen«, wandte Lieutenant Donovan ein.
Ich gab es auf, weiter in Folsom zu dringen. Der Mann hatte Angst. Eine ebenso höllische Angst wie Benton wenige Sekunden vor seinem Tod.
Also wechselte ich das Thema.
»Es gibt in diesem Hotel doch sicherlich Überwachungskameras, nicht wahr?«
»Wo denken Sie hin!«, empörte sich Folsom. »Wir bespitzeln unsere Gäste nicht.«
»Das glauben wir Ihnen gern«, sagte Lieutenant Donovan beruhigend. »Selbst wenn Sie sehen sollten, dass ein Gast um Mitternacht das Zimmer, das er mit seiner Gattin teilt, verlässt und im Zimmer der hübschen jungen Dame gegenüber verschwindet, würden Sie das kleine Geheimnis natürlich für sich behalten. Sie verwenden die Kameras nur zum Schutz Ihrer Gäste.«
Folsom nickte eifrig. »Natürlich haben wir ein paar Kameras. In der Eingangshalle zum Beispiel, und in der Tiefgarage. Aber wir würden diese Aufnahmen niemals missbrauchen, um zu …«
»Wenn diese Kameras zufällig einen Mord aufnehmen, würden Sie uns diese Aufnahmen aber doch zur Verfügung stellen, nicht wahr?«
Folsom nickte noch eifriger. »Selbstverständlich, Sir. Sie können alle diese Aufnahmen haben.«
***
Folsom hielt sein Wort. Vor uns stapelten sich ganze Stöße von Bändern und DVDs von Videoaufnahmen. Es stellte sich heraus, dass es in diesem großen Gebäude eine beträchtliche Anzahl von versteckt angebrachten
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