2946 - Deborah - verzweifelt gesucht
einem Nervenzusammenbruch. Der Aufruf im Internet hatte zu einem Massenaufkommen von Nachrichten in der Agentur geführt – nicht nur übers Internet, auch am Telefon. Und sie hatte das Büro schließen müssen, weil inzwischen auch Leute davor standen. Jeder wollte die Belohnung, die Hinweise waren allerdings dürftig bis an den Haaren herbeigezogen.
Ich fluchte innerlich über die selbstherrliche Aktion von Bradshaw und seiner Geliebten. Jetzt konnten wir Leute dafür abstellen, diese Datenflut aufzunehmen, zu sichten und auszuwerten. Einerseits konnten wir es uns nicht leisten, eventuell eine wirkliche Spur zu verlieren, andererseits machte uns dieser Aufruf viel zu viel Arbeit. Aufwand und Nutzen würden in keinem Verhältnis stehen!
Myrna Barnes saß, äußerlich ungerührt, in einem Verhörraum. Sie hatte keinen Anwalt verlangt, vielleicht, weil sie immer noch glaubte, so davonkommen zu können. Sie hatte keinerlei Unrechtsbewusstsein, was ihr falsches Alibi und die Warnung von Timothy Bradshaw betraf.
Nach einem ungefähr anderthalbstündigen Verhör schien sie allerdings begriffen zu haben, dass sie mit ihrem Verhalten einen großen Fehler gemacht hatte. Und dass der Vater ihres ungeborenen Kindes sich mit seiner Flucht keinen Gefallen getan hatte.
»Rufen Sie ihn an«, verlangte ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Er hat es abgestellt. Gleich nachdem ich ihn anrief. Er sagte, er müsse etwas erledigen. Jemand habe ihn reingelegt und er müsse das regeln. Dabei könne er freier agieren, wenn das FBI ihm nicht an den Fersen klebt. Danach will er das Land verlassen und erst zurückkehren, wenn der Fall gelöst ist.«
»Sie glauben ihm immer noch, dass er nichts mit dem Mord an seiner Frau zu tun hat?«
Myrna bejahte. Sie schien sich ihrer Sache ganz sicher.
»Wo will er abfliegen und wohin?« Es dauerte noch eine halbe Stunde, in der sie sich sträubte und wand und jede erdenkliche List probierte, um Zeit zu schinden. Irgendwann knickte sie ein und danach wusste ich auch das.
Phil war sofort am Telefon, als ich ihn anrief.
»Abflug vermutlich von Hartford, Connecticut. Er hat dort Verbindungen zu einer Firma, die Flüge mit kleinen Maschinen arrangiert. Könnte nach Kanada gehen. Wann genau er fliegen will, weiß Miss Barnes nicht. Aber sie sagt, er habe vorher noch etwas zu erledigen. Etwas, das sich nach verdammt viel Ärger anhört.«
Wir vereinbarten, dass Phil nach Hartford fahren sollte, um Bradshaw abzufangen, während ich mich hier in New York an die Spuren des Unternehmers heften würde. Die heißeste davon führte zu Parker Morgan.
***
Der Mann, der auf dem besten Weg war, als einer der erfolgreichsten Baulöwen des Landes zu gelten, residierte in einem modernen Gebäude aus Glas und Stahl an der Madison Avenue. Jeder Besucher des Bürohauses wurde bereits in der weitläufigen Lobby im Erdgeschoss eindringlich daran erinnert, dass hier Geld und Macht regierten.
Auf der einen Seite prangte eine halbrunde Empfangstheke, dahinter saßen drei fast identisch aussehende Blondinen mit geschäftsmäßig freundlichem Blick. Über ihnen liefen auf großformatigen Leinwänden Nachrichten und Börsenkurse. Alles wirkte kühl und effizient.
»FBI New York, Special Agent Jerry Cotton. Ich möchte zu Parker Morgan.« Die Augen der Blondine in der Mitte checkten mit einem bemerkenswert routinierten Blick meinen Dienstausweis. Dann bat sie mich, auf einer der Bänke Platz zu nehmen.
»Ich melde Sie an. Jemand aus Mister Morgans Büro wird Sie abholen.«
Ich war angenehm überrascht, dass hier keine Spielchen mit »Haben Sie einen Termin« oder »Mister Morgen ist beschäftigt« gespielt wurden. Kurz nachdem ich auf einer Bank Platz genommen hatte, kam die Empfangsdame auf mich zu.
»Es wird noch ein paar Minuten dauern, bis Mister Morgan Sie empfangen kann. Darf ich Ihnen so lange ein Getränk anbieten? Kaffee, Tee, Mineralwasser?«
Ich entschied mich für Kaffee, und während ich den überraschend guten Kaffee genoss, schaute ich mich um.
Das Klappern hoher Absätze und eine angenehme weibliche Stimme rissen mich aus meinen Gedanken.
»Agent Cotton?« Eine dunkelhaarige, schlanke Frau, sie mochte Ende dreißig sein, stand vor mir und bat mich, ihr zu folgen. »Mister Morgan wird gleich für Sie da sein«, versicherte sie mir, als sie mich wenig später ein paar Stockwerke weiter oben in einen kleinen Besprechungsraum führte. Ich trat ans Fenster und schaute hinunter auf die Stadt mit ihren
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