3. Die Connor Boys: Diese Nacht kennt kein Tabu
die gleichen Wuschelköpfe und die gleichen Dinosaurier T-Shirts. In den ersten Tagen hatte Simone Schwierigkeiten gehabt, die beiden auseinander zuhalten, aber jetzt nicht mehr. Beide sahen ihrem Vater ähnlich. Donnie hatte die Energie und Entschlossenheit Michaels, während Davie ihm auf eine andere Art glich. Er war mehr der Denker, der dazu neigte, seine tieferen Gefühle zu verbergen. Simone war restlos von ihnen eingenommen. Kein Wunder bei den vielen Stunden, die sie zusammen verbrachten.
Michael war mit ihnen segeln, Hummer fischen und schwimmen gewesen. Einen Abend hatten sie ein Lagerfeuer am Strand ge macht und Marshmallows geröstet, und an einem anderen Tag waren sie über den Kunstmarkt in Bar Harbor geschlendert. Simone hatte sich anfangs dagegen gesträubt, als sie sie mitnehmen wollten, denn sie hatte nicht vor, sich zwischen Michael und seine Söhne zu drängen. Aber er hatte den Gedanken als lächerlich abgetan.
Der eine verschüttete Limonade. „Mist, pass auf!" schimpfte der andere.
„Macht nichts." Simone hatte sie jetzt eine Woche um sich ge habt. Selbstverständlich hatte sie Papiertücher mit hochgebracht. Natürlich auch die Kartons und Adressenaufkleber, um die Sachen ihrer Großmutter zu verpacken, aber das ließ sich bei so vielen Helfern nicht so schnell erledigen.
„Was macht Dad?" fragte Donnie.
„Er räumt unten auf. Ms. Stanford bringt heute Nachmittag wie der Kunden zur Besichtigung mit."
„Ach ja", sagte Davie betrübt. „Und wir müssen morgen schon abreisen. Wir wollen noch gar nicht weg. Dad soll das Haus nicht verkaufen. Kannst du nicht mit ihm reden, Simone?"
„Aber Schatz, er arbeitet und wohnt in Detroit. Ihr geht da zur Schule, und eure Mom lebt da."
„Schulen gibt es überall. Was soll's? Und Mom macht es nichts aus, wenn wir bei Dad bleiben. Sie ist sehr beschäftigt mit George." Donnie rümpfte die Nase bei dem Namen ,George'. Offenbar war das der neue Freund ihrer Mutter. „Dad ist glücklich hier. So glücklich habe ich ihn noch nie gesehen. Er macht so vieles mit uns und muss nicht dauernd arbeiten wie zu Hause. Allen gefällt es hier."
Ihr Hals war plötzlich wie zugeschnürt. „Ich weiß, Junge."
„Du könntest ihn heiraten", schlug Davie vor. „Hast du schon mal daran gedacht? Wenn du ihn heiraten würdest, könntest du ihn dazu überreden, dass er das Haus behält und hier bleibt."
„Ich glaube", erwiderte Simone leise, „Erwachsene brauchen einen triftigeren Grund, um zu heiraten."
„Ja schon. Aber du magst Dad, oder? Und er mag dich. Und wir mögen dich auch. Ich meine, die Sache ist doch perfekt, verstehst du? Was ist das denn?" Donnie konnte nicht lange stillstehen. Er hatte ein schweres dreikantiges Prisma entdeckt.
Simone war heilfroh, dass sie so rasch vom Thema abkamen. „Das hat einem Seemann gehört. Es ist aus grünem Glas und wurde damals benutzt, weil es noch keine Elektrizität gab. Die Seeleute haben es so aufgestellt, dass es Licht einfangen und wieder zu rückstrahlen konnte." Sie hielt es hoch, damit sie sehen konnten, wie sich der kleinste Lichtstrahl in dem Prisma brach und in alle Richtungen fiel.
Ungewollt musste sie daran denken, wie Michael und sie sich auf dem Dachboden geliebt hatten. Keiner von ihnen hatte das Prisma auf dem Fenstersims bemerkt. Erst später war es Simone aufgefallen. Aber das Licht war auf Michaels Gesicht, seinen bloßen Oberkörper und seine Hände gefallen. Bei der Erinnerung konnte sie kaum noch schlucken.
„Können wir das Prisma haben?" fragte Davie.
„Sicher", antwortete Simone. „Es gehört sowieso zu den Sachen, die ich für euren Dad einpacken wollte."
„Irgendwie ist das nicht gerecht. Du bekommst die ganze Unterwäsche und das doofe Zeug, und wir die tollen Sachen."
„Das macht nichts. Mir gefallen die Sachen."
„Ja, wahrscheinlich. Sie passen ja auch zu dir. Glaubst du, das Prisma hat dem Geist gehört?"
„Ja, glaubst du, es hat Jock gehört?" wollte Donnie auch wissen.
Zum Glück waren die Zwillinge von dieser Geschichte begeistert. Überhaupt begeisterte sie alles, was mit Blut, Angst und Entsetzen zu tun hatte. Während Simone packte, unterhielt sie die beiden mit spannenden Geschichten. Durch die Anwesenheit der Zwillinge war ihr Leben in der vergangenen Woche anders verlaufen. Und darüber war sie froh.
Michael hatte mindestens ein Dutzend Mal versucht, sich mit ihr ernsthaft zu unterhalten. Er hatte sie mehr als einmal in die Arme genommen. Aber seit seine
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