3. Die Connor Boys: Diese Nacht kennt kein Tabu
hatte mich schon darauf vorbereitet, dich leiten zu müssen. Statt dessen hast du mir noch etwas beigebracht. Donnerwetter. Was ihr beide gestern Abend auf dem Küchent isch veranstaltet habt, hat alles überboten, was ich je gesehen habe..."
Paula war immer noch am anderen Ende der Leitung und versuchte gerade, den neuen Besichtigungstermin mit ihm festzusetzen. Michael bekam nur die Hälfte mit. Er griff nach
Zettel und Stift. „Moment, wie war das?"
„Hör auf, mit der dämlichen Frau zu reden, Junge, und hör mir zu. Was ich nicht vorstehen kann, was mir nicht in den Kopf will, ist, worauf du noch wartest. Du hast ihr noch immer nicht gesagt, was du für sie empfindest. Der Dümmste weiß, dass sie dich so ver lassen wird, mein Junge. Sie wird schneller weg sein, als du gucken kannst, wenn du ihr nicht sagst, dass du sie liebst."
„Ruhe verdammt noch mal!" brauste Michael auf „Nein, natür lich habe ich nicht Sie gemeint, Paula", beeilte er sich zu versichern. „Da sind nur ein paar Arbeiter vor der Tür, die machen so viel Lärm. Ich konnte Sie nicht verstehen. Um wie viel Uhr sagten Sie?"
Ein paar Minuten später legte er auf. Da war die Geisterstimme natürlich verschwunden, und es war vollkommen ruhig im Haus. Staubkörnchen tanzten in der Mittagssonne. Ein Vogel hockte draußen auf dem Fenstersims. In der Ferne konnte er das gleichmäßige Rauschen der Wellen hören.
Michael saß reglos da. Jocks Einmischerei störte ihn nicht mehr. Warum sollte er sich über Jock den Kopf zerbrechen? Er hatte auch so genügend am Hals, womit er fertig werden musste.
Seit Tagen schon wollte er Simone gestehen, dass er sich in sie ver liebt hatte. Aber jedes Mal, wenn er einen Anlauf dazu nahm, befiel ihn Furcht. Es war nicht so sehr die Furcht, dass sie ihn ablehnen könnte, sondern eher, dass er ihre Gefühle falsch eingeschätzt hatte.
Es wäre eine fürchterliche Blamage für ihn. Da er sich noch nie gut auf Frauen verstanden hatte, war er auch jetzt wieder einmal mit seiner Weisheit am Ende. Alles, was Simone sagte, war das Gegenteil von dem, was sie tat. Sie würde vehement abstreiten, romantisch zu sein. Und sie würde dabei nicht einmal lügen, denn das glaubte sie auch. Aber in Wirklichkeit hatte sie ein hoffnungslos weiches Herz und eine sentimentale Ader. Sie tanzte gern, hörte gern Musik und liebte ruhige Abende. Sie mochte Überraschungen, Sonnenuntergänge, Rosen und Gedichte. Manchmal liebte sie Zärtlichkeit, und manchmal mochte sie es wild und heftig, wollte sich mitgerissen und verführt fühlen. Es war zum Verzweifeln. Michael hatte weiß Gott nicht die Geschichte des alten Liebespaares nachspielen wollen, und am allerwenigsten hätte er erwartet, seinen Großvater falsch eingeschätzt zu haben. Aber Mic hael musste ihm zugestehen, dass er die Frauen verstanden hatte. Er hatte ein paar von Benjamins romantischen Anwandlungen aufgegriffen, und das nicht ohne Erfolg.
Verwirrend für Michael war die Erkenntnis, dass Romantik gar nicht so schlimm war. Kaviar jeden Tag - nein danke. Im Alltag war er konservativ so wie Simone auch. Aber nach getaner Arbeit machte es ihm Spaß, sich etwas auszudenken, womit er sie überraschen konnte. Wenn er mit ihr allein war, wollte er in eine andere Rolle schlüpfen.
Bei Carla war er beherrscht und nüchtern gewesen, weil er geglaubt hatte, dass sie ihn so haben wollte. Carla interessierten Gefühle nicht. Sie hatte ihn jedes Mal abgewehrt, wenn er über etwas sprechen wollte, was ihn bewegte. Ihre Ehe war in eine Sackgasse geraten. Er hatte nicht einmal geahnt, dass er auch ein anderer Mensch sein konnte.
Bis er Simone begegnet war. Michael legte den Kopf in den Nacken und starrte die Decke an. Simone war seine Welt geworden, hatte sich einen Platz in seinem Herzen erobert und war inzwischen wichtiger für ihn als die Luft zum Atmen. Würde er Simone zu etwas drängen, was sie nicht wollte, riskierte er es, sie zu verlieren. Wie oft hatte sie lautstark behauptet, dass sie „nur Sex" wolle. Wie oft hatte sie heftig geleugnet, Liebe oder romantischen Gefüh len zu trauen. Verdammt, sollte er ihr das glauben... oder lieber das, was ihm sein Herz sagte, auch wenn es sich in der Vergangenheit geirrt hatte?
Es lag an Simone, dass er ihr noch immer nicht von seinen Gefüh len für sie erzählt hatte. Er wollte sich sicher sein und nichts überstürzen. Es dauerte nun einmal, bis er sie davon überzeugt hätte, dass er sie nicht verführen und anschließend
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