3 Die Rinucci Brüder: Unter der goldenen Sonne Roms
spielt, sondern sachlich und direkt ist.“
„Haben Sie vor, mich in einen Kerker zu stecken oder mich irgendwo festzuhalten?“
„Warten Sie es ab.“ Er blickte sie lächelnd an, und es überlief sie heiß.
Was für eine irritierende und zugleich faszinierende Situation, Lukes Unberechenbarkeit macht mich noch wahnsinnig, aber momentan bin ich nur neugierig, gestand Minnie sich insgeheim ein. Auf der Straße hielt er eine Kutsche an. „Zu dem See im Park der Villa Borghese“, rief er dem Kutscher beim Einsteigen zu.
„Wollen Sie mich hineinwerfen?“, scherzte Minnie.
„Dazu hätte ich nicht übel Lust.“
In New York gab es den Central Park, in London den Hyde Park und hier in Rom den wunderschönen Park der Villa Borghese, die schönste Grünfläche Roms.
Am Ende der Via Veneto lenkte der Kutscher die Pferde in den Park, und kurz darauf fuhren sie im Schatten der Pinien und Kastanienbäume durch die Anlagen bis zu dem See mit dem glitzernden Wasser. Die hellen Mauern des Tempio Esculapio, wie der Tempel am gegenüberliegenden Ufer hieß, glänzten in der Sonne.
Luke half Minnie beim Aussteigen und ging mit ihr zu einem Bootsverleih. Plötzlich fing sie an zu zittern und wollte ihm die Hand entziehen.
„Nein, bitte nicht, Luke.“
„Doch“, entgegnete er energisch und hielt sie fest. „Wir mieten ein Boot, entspannen uns, unterhalten uns, vergessen alles, was war, und genießen den schönen Tag.“
„Aber …“
„Kein Aber, ich dulde keinen Widerspruch“, unterbrach er sie unnachgiebig. „Zur Abwechslung werden Sie sich einmal nach mir richten, Frau Anwältin.“
Ohne sie loszulassen, mietete er ein Boot und forderte sie mit einer Kopfbewegung auf einzusteigen. Als sie es tat und sich auf den hintersten Platz setzte, gratulierte er sich insgeheim. Offenbar konnte man sich als Mann auch heutzutage noch durchsetzen, wenn man autoritär genug auftrat. „Es stimmt wirklich. Sie haben recht, es gibt kein Entkommen“, sagte Minnie, während er auf den See hinausruderte.
Er hatte das eigenartige Gefühl, sie meinte etwas ganz Bestimmtes. „Ist es schlimm, dass ich Sie gezwungen habe mitzukommen?“, fragte er.
„Es ist egal. Wahrscheinlich war es dumm von mir, mich zu sträuben.“
„Immer wieder entdecke ich neue Seiten an Ihnen“, stellte er fest. „Einmal sind Sie in Partylaune, ein anderes Mal sind Sie die strenge Rechtsanwältin, so wie heute, oder …“
„Als Rechtsanwältin haben Sie mich schon früher erlebt“, erinnerte sie ihn. „Bei unserer allerersten Begegnung.“
„Das war etwas anderes. Der Gerichtssaal ist Ihre Welt, in der Sie sich wohlfühlen. Aber so wie heute in Ihrer Kanzlei hatte ich Sie noch nicht erlebt. Ich hatte den Eindruck, Sie würden gegen alles und jeden kämpfen. Oder vielleicht nur gegen mich?“
„Nein“, erwiderte sie nach kurzem Nachdenken. „Sie haben es richtig erkannt, gegen alles und jeden.“
„Insgeheim fechten Sie viele Kämpfe aus, von denen niemand etwas ahnt, stimmt’s?“
Sie nickte.
„Oder weiß Gianni es?“ Ihm war klar, wie riskant es war, sich so weit vorzuwagen.
Minnie schüttelte den Kopf.
„Hat er es damals gewusst?“
„Als er noch lebte, gab es nichts, wogegen ich ankämpfen musste“, antwortete sie.
Je länger wir hier auf dem Wasser sind, desto mehr entspannt sie sich, dachte Luke. Irgendetwas schien sich in ihr zu lösen.
„Signora …“, begann er.
„Nennen Sie mich Minnie.“
„Könnten Sie bitte Ihr Haar lösen? Mit dieser strengen Frisur machen Sie mir Angst.“
Lachend tat sie ihm den Gefallen. „Ist es besser so?“, fragte sie, als das Haar ihr Gesicht weich umrahmte.
„Ja, viel besser. Jetzt sehen Sie wie die richtige Minnie aus.“
„Die kennen Sie gar nicht“, entgegnete sie.
„Das stimmt. Sie sind jeden Tag anders, was mich sehr irritiert.“
„An Ihnen entdecke ich auch immer wieder neue Seiten. Ich habe Sie als Schläger, Partylöwen und rücksichtslosen Geschäftsmann kennengelernt. Ich passe mich nur an.“
„Was bin ich Ihrer Meinung nach jetzt?“
„Ein Grobian, weil Sie mich gegen meinen Willen zu einem Platz mitgenommen haben, wo es kein Entkommen gibt.“
„Sie könnten ins Wasser springen. Ich weiß zwar nicht, wie tief es ist. Es ist auf jeden Fall ziemlich schmutzig.“
Statt einer Antwort erklang ein so bezauberndes Lachen, wie er es von ihr noch nicht gehört hatte. „Was ist los?“
„Es ist seltsam, dass Sie das sagen, denn dasselbe hat er auch
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