3 Die Rinucci Brüder: Unter der goldenen Sonne Roms
liebst“, erwiderte sie sanft.
„Ich hätte sie gestern anrufen müssen, dann hätte ich ihr gesagt …“ Er seufzte. „Wahrscheinlich hätte ich gar nicht viel gesagt. Doch sie hätte sich gefreut, dass ich mir für sie etwas Zeit nehme.“ Da der Verkehr wieder zum Stillstand gekommen war, packte sie Luke an der Schulter und schüttelte ihn leicht.
„Jetzt hör mal gut zu. Sie ist schon mindestens dreißig Jahre deine Mutter. Meinst du wirklich, sie wüsste immer noch nicht, dass du sie gern hast? Es kommt ihr bestimmt auf einen Anruf mehr oder weniger nicht an.“
„So? Wie war es denn mit dir und Gianni? Er hat auch gewusst, wie sehr du ihn all die Jahre geliebt hast. Dennoch kannst du dir nicht verzeihen, dass ihr euch an jenem Tag gestritten habt und du deiner Meinung nach falsch reagiert hast“, hielt er ihr vor.
„Ja, aber du hast mir doch gesagt, es sei falsch, mich in Schuldgefühle zu verstricken.“
„Du hast recht.“ Er seufzte. „Wir brauchen beide keine Gewissensbisse zu haben, dennoch haben wir sie.“
Sie umarmte ihn. „Wir werden sie auch so leicht nicht los, denn es hat mit dem Verstand nichts zu tun, sondern nur mit unseren Gefühlen.“
Er legte den gesunden Arm um sie und drückte sie an sich. „Wenn sie stirbt …“
„So etwas darfst du nicht denken“, unterbrach Minnie ihn.
„Nein, lass mich ausreden. Wenn sie stirbt, kann ich wirklich nachfühlen, was du durchgemacht hast. O Minnie, wie dumm war ich, über etwas zu reden, was ich selbst noch gar nicht erlebt habe.“ „Da kann ich dir nicht zustimmen“, widersprach sie. „Du hast mir viel mehr gegeben, als du dir vorstellen kannst. Du warst für mich da, und jetzt bin ich für dich da. Es geht weiter“, fügte sie hinzu. „Bald haben wir es geschafft.“
Luke nickte, und als er sie zögernd losließ, sah sie, dass seine Augen feucht waren.
Im Schneckentempo kamen sie voran. Aber nachdem sie an der Unfallstelle vorbeigefahren waren, hatten sie wieder freie Fahrt. In Neapel dirigierte Luke sie in die richtige Richtung, und Minnie hiel t vor dem Haupteingang des Krankenhauses an.
„Du kannst hier aussteigen“, forderte sie ihn auf. „Ich komme nach, sobald ich den Wagen geparkt habe.“ Sie drückte ihm die linke Hand. „Viel Glück!“
„Danke“, antwortete er angespannt und drückte ihr auch die Hand. Dann stieg er aus und eilte in das große Gebäude.
So früh am Morgen war der riesige Parkplatz beinah leer. Rasch stellte sie das Auto ab und folgte Luke. Der Nachtportier schickte sie in die dritte Etage. Als sie aus dem Aufzug stieg und durch die Tür mit der Aufschrift „Privatstation“ ging, blieb sie bei dem Anblick, der sich ihr bot, stehen.
Mehrere attraktive junge Männer standen und saßen vor einer der Türen. Es war nicht schwer zu erraten, dass sie zur Familie Rinucci gehörten. Sie bemerkten sie und kamen ihr entgegen. „Signora Pepino, Luke hat uns schon erzählt, dass Sie ihn gefahren haben. Danke, herzlichen Dank.“ Alle schüttelten ihr die Hand.
Sie war überwältigt von dem freundlichen Empfang. „Wie geht es Ihrer Mutter?“, fragte sie. „Besser“, antwortete einer der Männer. „Ich bin übrigens Primo Rinucci.“
„Sie hatte einen Herzinfarkt, oder?“
„Unsere Mutter bekam keine Luft“, erklärte ein anderer. „Als sie ohnmächtig wurde, haben wir sie sogleich ins Krankenhaus gebracht. Der Arzt hat erklärt, es sei nur ein Schwächeanfall gewesen, nichts Beunruhigendes. Sie müsse jedoch vorsichtiger sein und dürfe sich nicht zu viel zumuten, sonst könnte es schlimmer werden.“
„Trotzdem sind wir Ihnen sehr dankbar, dass Sie Luke geholfen haben“, fügte sein Bruder hinzu. Alle stimmten ihm zu, ehe sie Minnie der Reihe nach umarmten und küssten. Jetzt habe ich wirklich das Gefühl, nach Hause gekommen zu sein, dachte sie. Die herzliche Begrüßung der Rinuccis erinnerte sie an ihre eigene Großfamilie, die Pepinos.
Auf einmal wurde die Tür geöffnet, und ein älterer Mann kam heraus. Er stellte sich ihr als Toni Rinucci vor. Man sah ihm an, dass er eine schlaflose Nacht hinter sich hatte. Auch er bedankte sich überschwänglich bei Minnie, und sie erkundigte sich nach dem Gesundheitszustand seiner Frau. „Glücklicherweise hat der Arzt uns versichert, dass alles in Ordnung ist. Leider bin ich in Panik geraten, was vielleicht verständlich ist, weil ich meine Frau sehr liebe. Aber wie ich jetzt weiß, hätte Luke nicht mitten in der Nacht herzukommen
Weitere Kostenlose Bücher