3 Ponygeschichten - Erst ich ein Stück, dann du
blonden Haare und musterte Anna hochnäsig von oben bis unten. „Hast du deshalb Gummistiefel angezogen?“
Anna runzelte die Stirn.
„Ja klar“, sagte sie.
„Was für Schuhe denn sonst?
Reitstiefel habe ich keine.“
„Ich krieg jetzt natürlich welche“, meinte Viola. „Wenn man ein eigenes Pony hat, braucht man ja eine richtige Ausrüstung. Mama hat schon alles für mich bestellt.“
Anna schwieg. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass als erster Preis ein echtes Pony ausgeschrieben war. Da hatte Viola wohl etwas nicht richtig verstanden. Oder die Angeberpferde waren mal wieder mit ihr durchgegangen.
Verstohlen ließ Anna ihren Blick über Violas Klamotten gleiten. Wie immer war die Schulkameradin ganz in Lila gekleidet. Der Name bedeutete nämlich Veilchen, und die waren meistens violett. Der knielange Volantrock, den Viola trug, die zarte Strumpfhose und die Ballerinas schienen Anna allerdings nicht besonders gut für eine Reitstunde geeignet zu sein. Aber auch dazu sagte sie nichts. Sie hatte einfach keine Lust, sich Violas Gequatsche anzuhören.
Der Ponyhof lag in der Nähe des Waldes.
Hier gab es viele Weiden,
einen großen Stall
und eine Reithalle.
Herr Rudolf zeigte auf ein kleines Fachwerkhaus, das sich gleich gegenüber der Reithalle befand. „Dort müsst ihr euch anmelden“, sagte er.
Anna sah ihn mit großen Augen an. „Kommst du denn gar nicht mit?“, fragte sie erstaunt. Ein bisschen verärgert war sie auch, denn sie hatte keine große Lust, mit Viola allein hierzubleiben.
„Ich habe noch etwas zu erledigen“, erwiderte ihr Vater. „Aber macht euch keine Sorgen. Die Inhaberin, Frau Stetter, weiß Bescheid. Ich habe heute Vormittag, gleich nachdem ich den Brief geöffnet hatte, mit ihr telefoniert.“ Er nickte Viola zu. „Deine Mutter holt euch dann in ungefähr zwei Stunden wieder ab.“
Toll!, dachte Anna.
Sie war stinksauer.
Wie konnte Papa ihr das bloß antun!
Er wusste doch,
dass sie Viola nicht leiden konnte.
Mit einem Satz sprang sie aus dem Auto und knallte die Tür hinter sich zu. Ohne auf Viola zu warten, lief sie hastig zum Fachwerkhaus hinüber und klopfte an die Tür. Niemand antwortete und auch sonst rührte sich nichts.
Plötzlich war Viola neben ihr. Sie öffnete die Tür und zwängte sich an Anna vorbei in einen schmalen Flur. Hier gab es eine weitere Tür. „Anmeldung“, stand auf einem Schild, das gleich daneben an der Wand angebracht war.
Viola wollte gerade die Klinke herunterdrücken, als ein Mädchen sagte: „Da ist schon jemand drin.“
Das Mädchen saß hinter ihnen
auf einer weiß lackierten Holzbank.
„Ich warte auch“, fügte sie hinzu.
Anna nickte und setzte sich neben sie.
„Ich bin Anna“, stellte sie sich vor.
„Ich heiße Natalie“, sagte das Mädchen.
Natalie hatte glatte halblange Haare. Sie waren ebenso nussbraun wie ihre Augen, die hinter den Gläsern einer roten Brille blitzten.
„Hast du auch im Preisausschreiben gewonnen?“, wollte sie wissen.
„Ja, aber nur den zweiten bis vierten Preis“, antwortete Viola an Annas Stelle. Sie setzte sich ebenfalls neben Natalie und rückte dicht an sie heran.
„Also zehn Reitstunden“, sagte Natalie. „Genau wie ich.“ Sie hielt Anna ihre Hand hin, damit sie einschlagen konnte.
Viola zerrte an Natalies Pulliärmel. „Ich habe das Pony gewonnen“, sagte sie. „Wenn du willst, darfst du mal drauf reiten.“
„So ein Quatsch“, erwiderte Natalie kopfschüttelnd. „Man konnte überhaupt kein Pony gewinnen. Man darf sich drei Monate lang um eines kümmern und außerdem Reitstunden nehmen.“
„Aber danach gehört das Pony mir“,
behauptete Viola steif und fest.
„Meine Mutter kauft es nämlich.“
„Das ist ja schön“, sagte Natalie.
Sie und Anna warfen sich heimlich einen Blick zu. Da wurde die Bürotür geöffnet und ein weiteres Mädchen in Annas, Violas und Natalies Alter kam heraus. „Hallo“, sagte es und schüttelte seine schwarzen Kringellocken. „Habt ihr etwa auch gewonnen?“
Anna nickte. „Ich wette, du bist der dritte zweite bis vierte Preis.“
Das Mädchen stutzte und überlegte kurz. „Ja, ich glaube, der bin ich“, erwiderte es grinsend. „Und welche von euch ist der Hauptpreis?“, erkundigte es sich. Anna deutete auf Viola. „Ich glaube, sie.“
Das Mädchen mit den Kringellocken heftete seinen Blick auf Violas Ballerinas. „Na, dann viel Spaß“, meinte es. „Ich
Weitere Kostenlose Bücher