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3. Reich Lebensborn E.V.rtf

3. Reich Lebensborn E.V.rtf

Titel: 3. Reich Lebensborn E.V.rtf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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sind wa mit der Kasse jetürmt und ham se im ›Roten Papagei‹ verjubelt ... weeßte, mit dem Wehrsold alleene is det nich zu schaffen ...«
    »Solche Sachen machst du?« fragte Erika mißtrauisch.
    »Ja, weeßte, Mädchen ... det Leben is kostspielig ... der Soldat braucht wat für’n Durst und wat für’s Herze ... na, nu hab’ ick ja dich ...«
    »Denkste«, versetzte das Mädchen.
    »Und jetzt wern wa det Haus mal unter Dampf setzen ... für wat bin ick ’n alter Pionier ...«
    Er fingerte noch drei Meter Kabelzündschnur aus seinem Koffer. Dann ging er mit dem Panzerleutnant auf den Korridor. Sie stützten sich gegenseitig mit wechselndem Erfolg. Wirklich zischte der trübe, gelbe Nebel in alle Richtungen aus dem Topf, füllte die Gänge, die Stuben. Erschrockene Mädchen rannten durch die dicke Suppe. Das Fest verwandelte sich in einen Herbstmorgen am Wattenmeer. Kempes rote Lampe baumelte in seinem Zimmer im Nebel wie das Positionslicht eines Krabbenkutters.
    »So, jetzt sucht mal eure Betten!« tobte der
    Hauptsturmführer.
    Der Panzerleutnant platzte vor Lachen.
    »Mensch«, stöhnte er, »ich melde mich auch noch zu den Pionieren.«
    »Det is ’ne Waffengattung, wat?« fragte Kempe stolz. Nach fünf Minuten hatte der Nebeltopf seinen üblen Inhalt ausgespuckt. In seinen Schwaden löste sich der Budenzauber 88
    auf. Zurück blieb der Dunst von Alkohol und der Geruch von Chemie. Und zwischen beiden verlor sich irgendwo im Haus ein Mädchenlachen ...
    An Lotte und dem überzeugten SS-Untersturmführer Lange ist das Treiben Kempes vorbeigegangen, denn beide halten sich im zweiten Stock auf. In Lottes Zimmer. Flucht, nicht Erwartung.
    »Schrecklich«, sagt Lotte. Sie sitzt mit bloßen Füßen und angezogenen Knien auf ihrem Stuhl.
    »Ja«, erwidert Lange, »es ist eine Schande ...«
    Ihre Hand streift scheu sein kurzes, leichtgewelltes Haar.
    »Ein Glück ... daß du ganz anders bist ...«
    »Du auch«, meint Fritz Lange.
    »Wir zwei, nicht?«
    »Ja, wir zwei ...«
    Lotte betrachtet den Untersturmführer mit großen, scheuen Augen. An das Opfer, das sie bringen will, denkt sie nicht mehr. Sie steht erschrocken und erschüttert vor einem Wunder: sie liebt den Mann, den sie kaum zwei Tage kennt. Sie liebt zum ersten Male in ihrem Leben. Und das macht sie weich, zart und nachdenklich. Das läßt sie Zeit und Ort vergessen, mitunter sogar das Ziel.
    Die Stuben sind uniformiert wie der Zweck: ein Spind, ein Tisch, ein Schemel. Das Bett aus Stahl. Die Wäsche buntkariert. Nur kaltes Wasser in der Leitung. Aus dem Inventarverzeichnis an der Tür geht hervor, daß zur Bestückung des Raumes noch ein Eimer und ein Besen, ein Lichtschalter und eine Milchglaskugel gehören. Das ist die schlichte Einrichtung des Nationalsozialismus. So sah schon die Gefängniszelle Hitlers in Landsberg aus. Nun besteht halb Deutschland aus solchen Räumen. Beim Kommiß
    wie beim RAD, bei der SS wie beim BdM. Sie sind 89
    symptomatisch für alt und jung, für den Stubenappell wie für die Liebe ... wie der Staat sie wünscht. Brennt das Licht, ist das Zimmer zu hell. Geht es aus, ist der Raum zu finster. So legt sich die Nüchternheit dieses Heimes auf seine Insassen wie der Reif auf das Herbstgras.
    »Fritz«, sagt Lotte leise.
    »Ja ...«, erwidert er.
    Er löscht das Licht, dann spürt sie seinen Arm auf ihren Schultern.
    »Magst du ... mich?« fragt sie wie verloren.
    »Ja ...«, entgegnet er, »ich liebe Frauen, die so zu der Sache stehen, an die ich glaube ...«
    Er sieht ihr Gesicht nicht, nicht ihre gelösten Haare, nicht den weichen Mund.
    Fritz Lange ist mit seinen Gedanken anderswo. Er ist bei seinen Leuten, stöhnt. Der Hund, denkt er, als die feurigen Kugeln vor seinem Kopf platzen, im Graben, neben dem Bunker. »Hurräh!« hallt es in seinen Ohren. Er kneift die Augen zusammen, duckt den Kopf.
    Der Untersturmführer berührt nicht Lottes Gesicht. Er stößt wieder mit dem Iwan zusammen. Sekunden. Schreie. Das Krachen der Handgranaten. Der Russe hält die Maschinenpistole. Ein goldener Springbrunnen, in den Lange kerzengerade hineinläuft. Warum falle ich nicht, denkt er ... falle ich nicht ... falle ich nicht ...
    Er spürt nicht den Atem des Mädchens.
    »Fritz ... Fritz ...«, flüstert es.
    Aber der Mann hört es nicht. Er holt mit dem Spaten aus. Schaufel gegen Maschinenpistole. Der Iwan hat keine gelösten Haare, auch keinen weichen Mund. Vor Entsetzen schießt er zu hoch. Der Spaten klirrt. Lange schlägt zu.

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