3. Reich Lebensborn E.V.rtf
dieser Druckposten war so ruhig ...
So nahm er sich vor, Klaus und Doris nicht frontal anzugehen, sondern sie auf Sicht fertigzumachen. Er hoffte immer noch, daß ihm die beiden zu einer Reklame-Hochzeit im Lebensborn-Heim verhelfen würden. Deshalb hatte er Doris bestellt, um ihren Trotz zu brechen.
Nach einer halben Stunde ließ er sie eintreten. Er betrachtete sie wortlos, nickte, bot ihr einen Stuhl an, als er sich bereits gesetzt hatte. Sie blieb stehen.
»Haben Sie es sich überlegt?«
»Was?« erwiderte Doris.
»Die Hochzeit.«
»Sicher«, antwortete das Mädchen offen, »Klaus und ich heiraten.«
»Wann?«
»In ein paar Wochen.«
»Nein«, entgegnete er hart, »sofort!«
»Das geht nicht.«
»Meinen Sie?« fragte der Heimleiter drohend.
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Doris ließ sich nicht einschüchtern. Seit sie sich mit Klaus eins fühlte, hatte sie jede Unsicherheit verloren. Und sie kämpfte für ihn, um ihn, gegen eine trübe Gegenwart, für eine saubere Zukunft.
»Sie sind also schon von ihm angekränkelt«, fauchte Westroff-Meyer sie an. »Kein Wunder ... diese Schlappschwänze von der Luftwaffe ... diese Feiglinge!«
»Feiglinge?« fragte Doris scharf.
Er ging ihren Augen aus dem Weg. Er wußte, daß er zu weit gegangen war, nickte und zwang sich zur Ruhe.
»Damit wir uns nicht mißverstehen«, sagte er dann, »ich kann Ihren sauberen Freund vernichten! Er hat hier Äußerungen getan, die ihm das Genick brechen werden ... wenn ich sie weitergebe. Wenn ...«, setzte er hinzu und hob den Kopf.
Jetzt erschrak Doris. Davon hatte ihr Klaus nichts gesagt. Sie spürte instinktiv, wie gefährlich der Sturmbannführer war.
»Sehen Sie«, fuhr er fort. Er änderte sofort den Ton, wurde beinahe liebenswürdig. »Ich will mit Ihnen sprechen, weil ich Sie für ... für vernünftig halte ... Sie heiraten doch ohnedies.«
Er lächelte wissend. »Eine Hand wäscht die andere ...« Er sah sie lauernd an: »Tun Sie mir einen Gefallen, und ich lasse die Sache auf sich beruhen ... Haben wir uns verstanden?«
»Ja«, versetzte Doris kleinlaut. Es wurde ihr schwindlig. Die unbestimmte Angst war wieder da. Und sie steigerte sich noch, als Westroff-Meyer freundlich wurde. Das Wohlwollen eines Teufels, dachte das Mädchen.
»Sie sprechen also mit ihm?«
Doris senkte den Kopf.
»Ja«, antwortete sie leise.
»Ich erwarte morgen Ihre Antwort«, schloß er das Gespräch. Der Sturmbannführer trug die Panne militärisch stramm und 117
politisch laut. Er stand auf seinem Podium wie auf einem Denkmalsockel. Sein Kinn gab sich kantig, handgeschnitzt für tausend Jahre. Die gesamte Belegschaft des Lebensborn-Heims war im, großen Saal zum Appell angetreten. Stehend hörten sich die Männer und Mädchen an, was der Heimleiter Westroff-Meyer zum Tod der Arbeitsdienstführerin Lotte zu sagen hatte.
»Kameraden, Kameradinnen!« schnarrte er, die linke Hand am Koppel, »ich habe euch antreten lassen, damit wir uns klar werden, was die Stunde von uns fordert.«
Die Männer standen mit kalten, leeren Gesichtern. Die Mädchen waren blaß. In der hintersten Reihe drückte eine Teilnehmerin des Lehrgangs ihr Taschentuch gegen den Mund. Draußen, irgendwo im Haus, lag Lotte. Starr, wächsern, tot. Von eigener Hand getroffen. Eine von fünfzig, die sich in diesem Heim einleben oder ausleben sollten ... Und seitdem war etwas anders geworden. Frost legte sich auf die Gesichter, zwischen denen die Stimme Westroff-Meyers wie ein Sturmwind heulte. Aber sie konnte nicht einmal die Oberfläche kräuseln. Er folgte seinem Rezept. Wahrheit mit Lügen und Fragen mit Phrasen niederzudonnern. Übung macht den Meister, und der Heimleiter war ein Meister der Lüge und Phrase.
»Mitleid«, brüllte er, »ist falsch am Platz. Ein Mensch, der sein Leben für etwas anderes opfert als für den Führer und Großdeutschland, ist dieses Leben sowieso nicht wert!«
Er kniff die Hechtaugen zusammen. Sein Blick traf das Gesicht des Hauptsturmführers Kempe, und er las Auflehnung, ohne sie beweisen zu können. Der SS-Offizier zerbiß etwas zwischen den Zähnen. Er sah aus, als ob er fahl lächelte.
»Das klingt hart«, tobte Westroff-Meyer weiter, »verdammt hart sogar. Aber wir haben kein Verständnis, wenn einer das Ziel aus den Augen verliert ...« Seine Stimme schwoll wie eine 118
Flutwelle: »Jawohl«, donnerte er, »dieses Mädchen hat uns verraten ... als es sich an eine Liebelei verlor ... es sollte dem Führer etwas schenken, und wollte sich selbst etwas
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