3. Reich Lebensborn E.V.rtf
in Verbindung, die über die Reichsleitung der SS die sofortige Ablösung des jungen Staffelkapitäns erwirkte. Jetzt, zwei Tage nach seinem telegrafischen Hilferuf, stand Klaus ein letztes Mal im 124
Vorzimmer des Heimleiters.
Die glutäugige Sekretärin betrachtete ihn erschrocken, beugte sich über ihre Schreibmaschine und horchte. Sie fürchtete den Mann, der sie für sich, nicht für den Lebensborn gewählt hatte.
Unvermittelt drehte sie sich um.
»Er ist sehr schlecht gelaunt heute«, sagte sie fast bittend.
»Von mir aus«, versetzte der Fliegeroffizier kalt. Dann endlich, nach einer Viertelstunde, wurde er vorgelassen.
»Na, Sie«, sagte Westroff-Meyer. Er wühlte in seinen Papieren. »Ihr Kommodore hat Sie angefordert ...« Höhnisch setzt er hinzu: »Sie müssen ja ein tüchtiger Flieger sein.«
Klaus blieb ruhig. Er straffte den Oberkörper, als ob er mit dem EK I dem Sturmbannführer das Gesicht zerkratzen wollte.
»Sie sind ohnedies hier untauglich«, fuhr der Heimleiter mit einer unwilligen Handbewegung fort, »ich kann nur hoffen, daß Sie sich als Soldat besser bewähren denn als Nationalsozialist.«
Der junge Offizier schwieg noch immer. Seine Fäuste sehnten sich nach dem Gesicht des Sturmbannführers. Aber sie wurden von den sanften Händen des Mädchens Doris festgehalten.
»Hau’n Sie bloß ab«, sagte Westroff-Meyer, »und lassen Sie sich hier nie wieder sehen!«
»Bestimmt nicht.«
»Wie kommt das eigentlich«, fragte der Mann lauernd, »daß
Sie auf einmal so dringend benötigt werden?«
»Ich habe mich weggemeldet.«
Der Heimleiter pfiff durch die Zähne.
»So ist das ...«
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»Ja«, entgegnete der Oberleutnant ruhig, »auch meine Braut, Fräulein Korff ... und hiermit erklären wir unseren Austritt aus dem Lebensborn.«
»Soweit kommt es gar nicht«, erwiderte der
Sturmbannführer mit angespannter Selbstbeherrschung, »ich werfe Sie hinaus!«
»Danke.« Klaus steckte die Rechte in die Tasche.
»Was fällt Ihnen ein? ... Nehmen Sie Haltung an!« Das Kriegsverdienstkreuz I. Klasse vibrierte auf dem schwarzen Uniformrock.
Klaus postierte sich noch lässiger.
»Ich werde mich«, sagte er dann, »an die Partei wenden. Ich werde überprüfen lassen, ob die NSDAP hinter einem solchen Saustall steht.«
»Sie mach ich noch fertig!« brüllte Westroff-Meyer, »wie noch keinen!«
Er knallte Klaus Steinbach die Marschpapiere über den Schreibtisch.
Der junge Oberleutnant steckte sie ein.
»Und die Papiere von Doris ... von Fräulein Korff?« fragte er.
Der Sturmbannführer grinste breit und behaglich. Die Schadenfreude zog über sein Gesicht. Er rieb sich die Hände. Er wußte auf einmal, daß er eine Geisel in der Hand hatte. Und er wußte weiter, wie man mit Geiseln verfuhr ...
»Fräulein Korff?« wiederholte er gedehnt, »hat sie denn Ihr Kommodore auch angefordert?«
»Sie meldete sich von hier weg.«
»Prächtig«, versetzte der Heimleiter.
»Und sie reist morgen mit mir ab.«
Der Sturmbannführer schüttelte sich vor Lachen. 126
»Sie Schlaukopf«, antwortete er, » ... reist mit Ihnen ab, prächtig, prächtig!«
Er trat an das Fenster.
»Jeder irrt mal«, sagte er dann scharf. »Doris wird vom RAD nicht so dringend benötigt wie Sie von der Luftwaffe.«
Er gurgelte mit seiner Freude.
»Sie bleibt hier! Sie erfüllt ihre Pflicht!« Der Heimleiter stieß mit dem Stiefel gegen die Wand. »Und Sie verschwinden, Herr Oberleutnant ... aber schleunigst!«
Klaus ging mechanisch. In seinem Kopf saß Schwindel. Er war in der Falle. Sie schnürte seine Brust zusammen. Mein Gott, dachte er, Doris, allein hier im Heim, hilflos der Tücke des Westroff-Meyer ausgesetzt.
Die Tür knallte mit dem gleichen Ruck zu, mit dem die Falle eingerastet war ...
Noch immer dröhnt der Knall in seinem Ohr. Am liebsten würde sich Klaus übergeben. Er spürt den Druck seiner Pistolentasche an den Hüften und die Ohnmacht in den Händen. Er hat sich selbst in den Hohlweg manövriert. Es läßt sich nicht mehr rückgängig machen. Nur nicht die Nerven verlieren, denkt der junge Offizier ...
Ich müßte zu Doris, überlegt er. Dann steht er mit kraftlosen Knien in der Halle. Er kann nicht zu dem Mädchen. Was soll er ihr sagen? Soll er sich streicheln lassen wie ein kleiner Junge? Soll er sich trösten lassen? Soll er wiederholen, was der Schweinehund sagte? Soll er ihre stummen Fragen anhören: Was hast du für Mittel, für Wege, für Hilfe? Was tust du jetzt, Klaus Steinbach?
Die
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