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3. Reich Lebensborn E.V.rtf

3. Reich Lebensborn E.V.rtf

Titel: 3. Reich Lebensborn E.V.rtf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Scheitel.
    »Doris«, sagte er, »du brauchst keine Angst zu haben ... ich erledige das ... ich bin schon mit ganz anderen Burschen fertiggeworden ...«
    Sie sah ihm nach, als er von ihr wegging. Sie wollte sich freuen, aber sie konnte es nicht. Sie wollte hoffen, aber sie glaubte nicht an die Hoffnung. Sie spürte eine Furcht, die keine Gestalt hatte. Sie dachte auf einmal an das Mädchen Lotte, die tote Stubenkameradin, und hatte plötzlich rasende Angst, daß
    auch sie in einen letzten Ausweg fliehen könnte, der keiner ist. Der Abend ist schwer wie Senkblei. Überall lauert der Schatten einer Toten. Kein Mensch hat Lust, mit Untersturmführer Lange zu sprechen. Ein Vorkämpfer wird zum Außenseiter. Das verstimmte Klavier bleibt stumm. Die Spruchbänder in den Aufenthaltsräumen welken. Die Stille wird zum allgegenwärtigen Gespenst, dem keiner auskommt. Selbst Hauptsturmführer Kempe hat sich in sein Zimmer zurückgezogen. Klaus Steinbach ist in die Stadt gegangen, um die Telegramme aufzugeben. Doris liegt in ihrem Bett und versucht zu lesen.
    Im Keller des Hauses schläft die tote Lotte in die Ewigkeit. Gestorben am Glauben. Gemordet vom Frevel ... Erika flüchtet in den Garten. Vor dem Kartoffelschälen beim RAD war sie in den vermeintlichen Ulk des Lebensborns davongelaufen. Seit sie weiß, daß dieser Spaß tödlich ist, sehnt sie sich nach Wassereimer und Schrubber zurück. Sie spürt die Zweige nicht, die ihr Gesicht streifen. Sie achtet nicht auf die Steine, die ihr Fuß wegschiebt. Sie denkt an Lotte, die sie nicht mochte, und um die sie jetzt trauert wie um eine Freundin. Erika ist nicht allein im Park. Viele halten die Luft des zweckentfremdeten Nervensanatoriums nicht mehr aus. Viele starren auf den Kalender, um das Ende des Spuks zu 122
    ergründen. Manche sehen auf die Uhr, um die Stunde voranzutreiben.
    Aber die Sekunden dehnen sich so, als ob das Dritte Reich tatsächlich tausend Jahre währen wollte. Die Zeit zerfällt in Tropfen, die gegen die Einsamkeit prasseln, in Schläge, die gegen das Gewissen hämmern. Mochte die Bewegung Gott, die Familie und die Moral abschaffen, mochte sie Millionen morden, das Gewissen konnte sie nicht töten.
    Erika merkt, daß ihr ein Schatten folgt. Sie will allein bleiben und beschleunigt den Schritt. Aber der Mann hinter ihr holt kräftig aus. Es ist der Panzerleutnant, der beim Budenzauber zu Kempes Adjutanten wurde.
    »Erika«, sagt er, »was machst du hier?«
    »Das gleiche wie du«, antwortet das Mädchen müde.
    »Ich bin bloß da, weil’s mir drinnen zu langweilig ist.«
    Erika will ihn abschütteln, aber er merkt es, läuft neben ihr her.
    »So allein heute?« fragt er, »ohne deinen Freund Kempe?«
    »Er ist nicht mein Freund.«
    »Fein«, erwidert der junge Mann. Er grinst dumm. »Gut, daß
    ich es weiß ... blöde Sache, das mit Lotte, nicht?«
    »Ja«, entgegnet Erika zerstreut.
    »Aber das Leben geht weiter«, fährt er scharfsinnig fort. Er versucht, ihre Hand zu nehmen. Sie entzieht sie ihm mit jähem Ruck.
    »Sei doch nicht so«, brummt er. Er sucht das Ende und findet keinen Anfang.
    »Du ...«, sagt er heiser.
    »Was?«
    »Komm mit ...«
    »Wohin?«
    123
    »Ins Haus ... wir könnten ... auf meine Bude ...«
    »Warum?«
    »Na, frag doch nicht so ...«
    »Warum?« wiederholt Erika scharf.
    »Aber das weißt du doch ...«
    »Nein.«
    »Warum bist du dann hier?«
    »Weil ich nicht wußte, was das für ein Schweinestall ist!«
    »Aber hör mal«, antwortet der Panzerleutnant. Er streckt seine Hand nach ihr aus.
    »Laß mich los!« zischelt sie.
    »Nein«, flüstert er heiser, »niemals ... du ... Erika ...«
    Der Zorn reißt sie los. Sie fährt herum. Der Ekel gibt ihr Kraft. Sie holt aus. Mit der Faust. Schlägt zu. Mitten in sein Gesicht. Trifft ihn an der Nase. Er taumelt zurück. Ihr Arm wuchtet zum zweiten Male nach vorne. Im Wirbel der Wut drischt sie auf den verdutzten Panzerleutnant ein. Für Lotte. Für sich. Für Doris. Für den Anstand. Für die Vernunft. Für die Sauberkeit ...
    Der Mann duckt sich wie ein getretener Hund.
    Erika geht langsam, mit hochgezogenen Schultern, auf das Haus zu. Ihr Gesicht ist heiß. Ihre Fingerknöchel schmerzen. Das wollte ich ja gar nicht, denkt sie. Er ist ja nichts, nur ein junger, dummer Soldat.
    Aber auf einmal ist dem Mädchen leicht und licht, so als ob es Westroff-Meyer in das breite Gesicht geschlagen hätte. Der Kommodore des Oberleutnants Steinbach handelte sofort. Er setzte sich mit der Luftflotte

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