3. Reich Lebensborn E.V.rtf
näher, 100, 200 Maschinen, begleitet vom Jagdschutz, gesichert bis ins letzte.
Und dagegen ziehen ein Kommodore, der konsequent ist, und ein Oberleutnant, der ihm helfen will.
Klaus Steinbach läßt sich nicht abschütteln, weder von Befehlen noch von Spiralen. Er klemmt sich hinter die Maschine seines Chefs, die steil nach oben steigt, folgt ihr. In fünftausend Meter Höhe hängen die beiden Me’s wieder waagrecht in der Luft.
Jetzt erst kommt Klaus zum Überlegen. Er ist wahnsinnig geworden, denkt er, während er vorwärtsschießt. Auf einmal steht wieder Doris vor ihm. Entschuldige, bittet er, ... aber er hat sich so verdammt anständig benommen, ich kann ihn bei seinem verfluchten Quatsch jetzt nicht allein ...
»Bomberverband halb links«, ruft der Kommodore in das Sprechgerät.
Klaus zuckt zusammen. Er sieht die Kondensstreifen wie mit einem Lineal gezogen. 30 oder 40. Zuviel für zwei! Wahnsinn!
Da, oben drüber, sieben, acht Begleit Jäger. Abdrehen, denkt Klaus, höchste Eisenbahn!
»Ich greife an«, sagt der Kommodore beinahe gleichgültig. Der Speichel schmeckt im Mund des jungen Staffelkapitäns wie geronnene Milch. Ich mit dir, denkt er. Selbstmord, freilich. Aber was soll’s.
Die Maschine des Oberstleutnants Berendsen stellt sich auf die Fläche, orgelt den Engländern entgegen. Noch einmal hört Klaus die Stimme:
»Flieg nach Hause, mein Junge.«
»Herr Oberstleutnant! ...«, schreit Klaus zurück. Die Membrane kreischt. Das optische Visier flimmert. Der 160
Schweiß beizt die Augen.
Dann sieht Klaus die Spitfires. Der Bomberverband wirbelt an ihm vorbei. Maschine oben, Maschine unten. Meer oben, Meer, unten. Glühende Fäden umspannen die Me. Das Karussell hat ihn im Griff. Klaus kommt nicht mehr heraus. Seine Augen suchen einen Halt an den unsichtbaren Wänden des Hexenkessels, fassen die Maschine des Chefs, verlieren sie, fassen sie wieder. Die Zehen krampfen sich in den Stiefeln. Der Kommodore rast stur dem Verband entgegen.
»Achtung, Spitfire von hinten!« schreit der Oberleutnant. Berendsen antwortet nicht, fliegt die Bomber von vorne an. Geradeaus. Wie ein Brett.
Die Jäger hacken von hinten auf ihn ein. Die viermotorigen Maschinen brüllen ihm glühende Kaskaden aus ihren Bordkanonen entgegen.
Klaus schlägt Haken auf Haken. Er wehrt sich gegen drei tollwütige Hunde, kann den Kommodore nicht mehr sichern, kurvt ums nackte Leben.
»Achtung!« brüllt er keuchend.
Warum reagiert er denn nicht? Wieder eine Runde im Wahnsinnskarussell. Die Bomber. Der Schwanz einer Spitfire
... Die Me des Kommodore ... alles tanzt vor seinen Augen. Und Klaus sieht in Bruchteilen von Sekunden das Unfaßbare, möchte heulen, kann nichts ändern, begreift die Zusammenhänge nicht, krallt die Zähne in die Unterlippe. Da ist er, Oberstleutnant Berendsen, der Mann, der fliegen will, und sonst nichts auf der Welt. Der sich im Ersten Weltkrieg den ›Pour le merite‹ holte. Und dann unter Brücken flog, knapp über Hochspannungsleitungen slippte, der mit dem Segelflugzeug Sturzflug bis auf ein paar Meter demonstrierte, der sich um den Tod sowenig schert wie um die Schwerkraft. Sein Geschwader hatte die größten Erfolge. Dabei führte der Kommodore einen Zwei-Fronten-Krieg: gegen die Zweifel im 161
eigenen Kopf und gegen den Feind in der Luft... Und jetzt geht es nicht mehr weiter. Vorbei. Aus. Absichtlich. Endgültig.
Ohne Kurs, ohne eine Ruderbewegung zu machen, mit hetzen, den Jägern im Genick, rast Oberstleutnant Berendsen mitten in den Bomber-Pulk, knallt mit der vordersten Maschine zusammen. Der Blitz wird zur Explosion. Tonnen von Bomben krepieren, zerschmettern sechs Engländer, die nicht wissen, was ihnen geschieht ... und einen Deutschen, der wollte, was er tut, zu einem gemeinsamen Ende in Feuer und Rauch. Zwei weitere ›Lancaster‹ demontieren unter der Wucht der Explosion. Maschinenteile wirbeln. Fallschirme öffnen sich. Ein Jäger bäumt sich auf, wirft das Kabinendach ab. Klaus wird aus dem Karussell geschleudert. Seine Me taumelt wie ein Blatt, zieht eine Rauchfahne hinter sich her. Die Spitfires lassen ihn laufen, halten ihn für erledigt. Mit starrem Gesicht weicht der Oberleutnant einem der pendelnden Fallschirme aus.
Klaus verliert rapid Höhe, erreicht die Küste, schafft die Bruchlandung, klettert benommen aus dem Wrack, möchte heulen wie ein Wolf, winseln wie ein Hund, weinen wie ein Kind ...
Der Kommodore, denkt er, und begreift allmählich und endgültig, daß der
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