3. Reich Lebensborn E.V.rtf
Die Frau zitterte. Der Sturmbannführer rief das Begleitkommando. Die beiden Polizeisoldaten drangen in das Kinderzimmer. Die Mutter warf sich verzweifelt über das Kinderbett. Hände wollten sie wegreißen. Aber sie hatte Kraft, unheimlich viel Kraft. Sie schlug um sich. Ihre Faust klatschte dem Sturmbannführer in das Gesicht.
Der eine Posten hob ruhig den Lauf der Pistole. Es gab einen trockenen Knall.
Die Männer rissen das schreiende Kind aus dem Bett, dessen Blauaugen die Angst dunkel färbte. Es wimmerte, wehrte sich mit dünnen, schmächtigen Händen gegen die Brutalität.
»Halt’s Maul, du Fratz!« zischte Westroff-Meyer im Treppenhaus.
Das Kind starrte erschrocken aus ungläubigen Augen. 154
10. KAPITEL
Über Frankreichs Erde liegt die graue Wolkendecke wie ein Bleimantel. Seit drei Tagen kein Flugwetter. Das Tief von den Azoren bis Island war vernünftiger als die Luftmarschälle beider Seiten. Freund wie Feind nützten die Schnaufpause zu Feldpostbriefen, Langeweile und Schlaf.
Die Männer des Geschwaders Berendsen gehen sich in dieser Zeit aus dem Weg. Sie schweigen und warten, daß man den Kommodore verhaftet. Ob sie seinen Auftritt im Kasino billigen oder nicht: sie alle hängen an ihm; sie alle haben Angst, ihn zu verlieren. Ihnen allen gab er Zuversicht in einem längst aussichtslosen Kampf.
Um den Kopf des Oberleutnants Klaus Steinbach legt sich der Druck wie ein eiserner Ring. In seinem Schädel dröhnt der Motor der Me. Er versuchte in den letzten Tagen immer wieder, Oberstleutnant Berendsen zu sprechen, um die Sache auf sich zu nehmen. Aber der Kommodore lebte wie ein Einsiedler, ging nicht aus seiner Stube, ließ keinen seiner Offiziere vor, gab keine Befehle.
Es ist neun Uhr morgens. Klaus steht am Fenster und betrachtet den trüben Tag. Es ist seltsam still und leblos in den Baracken des fliegenden Personals. Kein Gepolter. Keine Flüche. Keine Witze. Keine Sitzbereitschaft. Keine Alarmklingel. Die Stille reißt an den Nerven. Sie ist ungesund wie die fahle Ruhe über See vor einem Orkan.
Immer wieder erlebt der Staffelkapitän die Szene im Kasino: die flackernden Kerzen, die drohenden Schatten an den Wänden, das fast unwirkliche Gesicht des Geschwaderchefs. Dann seine Worte. Klaus Steinbach weiß nicht mehr, ob er sie wirklich hörte oder ob er träumte. Das Unbehagen im Kopf wandert in den Magen. Er nimmt das Zahnputzglas vom 155
Waschtisch und die Pernod-Flasche aus dem Spind. Zwei Drittel Wasser. Er zählt drei Kopfschmerztabletten ab und zerreibt sie in der milchigen Flüssigkeit.
Dann geht er in den Duschraum. Das Wasser spritzt auf seine Haut wie auf heiße Platten. Als er aus dem Handtuch wieder auftaucht, sieht er den Kommodore in der Baracke. Berendsen geht mit kurzem Schritt. Seine Art, sich zu bewegen, hat etwas Unwiderrufliches. Der Geschwaderchef trägt die Fliegerkombination. Klaus erschrickt. Was will er im Knochensack? Was hat er vor?
Der junge Oberleutnant hetzt auf bloßen Füßen zurück in seine Stube, zwängt sich die Kombination über die Unterwäsche, um keine Zeit zu verlieren, hastet hinaus. Oberstleutnant Berendsen lehnt sich gegen die Sandsackwand der Box. Seine Mechaniker reißen die Tarnnetze von der Me. Der Kommodore rührt sich nicht, als Klaus herankeucht, ihn grüßt und dann nicht weiß, was er sagen soll. Berendsen betrachtet ihn schweigend, wendet sich ab, brummt:
»Morgen, Steinbach ... wo brennt’s?«
»Ist was gemeldet, Herr Oberstleutnant?« fragt Klaus verworren.
»Noch nichts«, antwortet der Geschwaderchef gleichgültig, während er mit dem Schuh einen Sandsack festtritt.
»Herr Oberstleutnant starten?« fragt Klaus weiter und wartet auf den erlösenden Anpfiff.
»Das sehen Sie ja«, entgegnet der Kommodore. Aber heute fehlt ihm der ätzende Spott, mit dem er sonst seinen Offizieren zu verstehen gibt, daß sie dumme Fragen stellen. Der Feldwebel vom Bodenpersonal, der die Maschine des Geschwaderchefs betreut, hält ihm das Zigarrenetui hin. Berendsen winkt ab.
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»Dauert’s noch lange?« fragt er ungeduldig.
Der Feldwebel betrachtet Klaus über die Schulter des Kommodore, Ratlosigkeit im Blick. Der Oberleutnant befeuchtet die trockenen Lippen. Aber der Chef gibt ihm keine Gelegenheit, noch etwas zu sagen. Er stülpt sich die FT-Haube über, läßt den Staffelkapitän einfach stehen, erreicht mit einem Satz die Tragfläche, schwingt sich in die Kabine, winkt dem Feldwebel zu. Klaus tritt ganz dicht heran.
»Darf ich
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