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3. Reich Lebensborn E.V.rtf

3. Reich Lebensborn E.V.rtf

Titel: 3. Reich Lebensborn E.V.rtf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Kindesentführung?«
    Doris schweigt einen Augenblick. Sie würgt die Bitterkeit hinunter, zwingt sich zur Ruhe und sagt:
    »Wie nennen Sie es sonst, wenn man einer Mutter das Kind wegnimmt, Herr Kommissar?«
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    »Hm«, entgegnet der Beamte, »wir müssen natürlich zuerst ermitteln«, beginnt er dann. »Ich nehme also ein Protokoll auf, und dann ...«
    »Ich will mein Kind ... und einen Haftbefehl gegen Westroff-Meyer«, versetzt Doris bestimmt. Der Beamte überlegt.
    »Für einen Haftbefehl bin ich überhaupt nicht zuständig ...«
    erwidert er dann vorsichtig.
    »Sondern?«
    »Der Ermittlungsrichter.«
    »Dann möchte ich zum Ermittlungsrichter.«
    »Das ist das beste«, versetzt der Kommissar.
    Mitleid und Unbehagen ringen miteinander in seinem Kopf. Lebensborn ... SS ... Reichssicherheitshauptamt ... schießt es ihm durch den Kopf. Er kennt sich nicht mehr aus. Er steht auf, gibt Doris die Hand.
    »Der Richter ist gleich im Haus«, erklärt er, »ich bringe Sie zu ihm.«
    Er läßt Doris vorausgehen, drückt höflich an der Tür die Klinke herunter, begleitet sie schweigend über den Gang, klopft, betritt allein das Zimmer, kommt wieder.
    »Bitte«, sagt er.
    Er geht zurück, schüttelt sich. Unangenehm, mehr als unangenehm, so oder so ...
    Dann meldet er ein Ferngespräch nach Berlin an: Reichskriminalpolizeiamt.
    Auch dort ist man ratlos und wendet sich an die vorgesetzte Behörde: an das Reichssicherheitshauptamt.
    Und während Doris dem Richter ein Verbrechen vorträgt, wird ihr Schicksal telefonisch ausgehandelt, eiskalt und unerbittlich.
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    Der Kopf des Ermittlungsrichters Dr. Dehn ist so kahl wie sein Gewissen, seine Stimme so leise wie sein Mut, seine Hand so fahrig wie sein Gedanke. Er ist als Mensch nicht so übel. Nur seine Urteile sind es, seit Justitia, zu der er einmal gläubig schwor, zu einer Konkubine des Systems wurde. Er handelt niemals freiwillig, aber wenn man es ihm befiehlt, hundertprozentig. Aus dem Adlerhorst des Rechts ist längst ein Geiernest des Unrechts geworden. Die dunkle Robe verwandelte sich in ein Braunhemd, das alles zudeckt: Die Angst, die Vernunft, das Fallbeil ...
    Er hört Doris schweigend an, räuspert sich etwas verlegen, einmal, zweimal, sieht konsequent an der jungen Frau vorbei, den Blick in einer vagen Ferne, die an der graugetünchten Wand mit dem Spruchband ›Recht ist, was dem Volk nützt‹
    endet.
    »Hm«, sagt er dann, »Lebensborn ... ist das nicht ... eine politische Sache?«
    »Auch das«, antwortet Doris ruhig.
    »Ich meine ... gibt es da nicht ... Sonderbestimmungen?«
    »Nicht einmal da«, entgegnet Doris heftiger als sie will,
    »selbst dort können Mütter ihre Kinder mitnehmen, wenn sie darauf bestehen.«
    »Ja, aber ich ... ich verstehe nicht ...«
    »Aber ich«, versetzt die junge Frau knapp. Sie wundert sich selbst über die Ruhe, die sie hat. Jeder Gedanke in ihr schreit nach dem kleinen Klaus. Aber sie bringt es auf einmal fertig, besonnen, logisch, zusammenhängend zu sprechen.
    »Das ist eine persönliche Intrige des Obersturmbannführers Westroff-Meyer ... es gibt kein Gesetz, das ihm das erlaubt, nicht einmal eine Bestimmung der ...« Doris hebt den Kopf, zwingt den Richter, sie anzusehen, »der SS ... verstehen Sie?«
    »Ich versuche es«, antwortet der Richter. Er sieht verstohlen 233
    nach dem Telefonapparat. Er weiß, daß ihm die Zentrale in Berlin die Entscheidung abnehmen wird. Juristisch ist der Fall klar, wie so viele andere. Aber soll er, Dr. Dehn, seine Karriere, seine Familie, seine Pension aufs Spiel setzen, um den wahrscheinlich untauglichen Versuch zu machen, einer verzweifelten Mutter zu helfen?
    »Es tut mir leid«, entgegnet er dünn und trocken, »ich komme da nicht mit ... es kann sich alles nur um einen Irrtum handeln ... Sie werden sehen ...«
    Doris schweigt.
    »So was gibt es doch in unserem Ordnungsstaat gar nicht ... Sie wissen, daß die Mutter den vollen Schutz der Bewegung hat ...« Er fährt sich mit der Hand über den Mund, wie um die Phrase wegzuwischen. »Haben Sie denn sonst nicht ... ich meine ... vielleicht mal eine unbedachte Äußerung ... Sie sind doch arisch, oder?«
    »Ja«, erwidert Doris leise, »ich bin arisch.«
    Der Richter zuckt die Schultern.
    »Und auch die Familie? ... der Mann ... erbgesund?«
    »Mein Mann ist Offizier.«
    »So«, antwortet der Richter beinahe erschrocken. Wirklich eine peinliche Geschichte!
    Wenn nur diese Augen nicht wären, denkt er. Ich muß ihr helfen, gewiß ...

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