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3. Reich Lebensborn E.V.rtf

3. Reich Lebensborn E.V.rtf

Titel: 3. Reich Lebensborn E.V.rtf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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noch sein Gesicht.
    Die Linde war alt und mächtig. Bald würde sie blühen und duften. Ihre Äste luden aus. Die SS-Männer wickelten die 280
    Stricke um sie.
    »Im Namen des Volkes ...«, tobte der Obersturmbannführer. Einer der Männer verlor die Nerven. Er hatte seine Frau gesehen.
    »Das können Sie doch nicht tun!« stöhnte er heiser. In das Gesicht von Westroff-Meyer malte sich die Lust. Alles konnte er tun im Namen des Volkes, das er nicht zu fragen brauchte.
    Dieses Volk stand an den Fenstern der Bauernhöfe. Alte Frauen bekreuzigten sich, Kinder weinten, harte Männer beteten, ein paar von ihnen haßten; sie sehnten sich heiß und inbrünstig nach einer Zeit, die diese Verbrecher rächen würde. Konnten sie wissen, daß Jahre später ein deutscher Generalfeldmarschall, Sachverständiger des Gerichts, Morde wie die an der Linde als ›militärisch notwendig‹ bezeichnen würde? Konnten sie wissen, daß es dereinst zu den Eigenarten eines Rechtsstaates gehören sollte, solche Mörder freizusprechen?
    Einer wollte sich losreißen. Die Henker droschen ihn mit Pistolenknäufen zusammen.
    »Los!« polterte Westroff-Meyer, »den baumelt ihr als ersten auf!«
    Die SS-Männer zerrten den Mann unter den Ast. Er war zu hoch. Da holten sie Milchkannen. Die Hitlerjungen wollten sich scheu davonschleichen.
    »Ihr bleibt!« befahl der Obersturmbannführer, »seht ruhig zu, wie Verräter sterben.«
    Auf einmal traten die Füße des Bauern ins Leere. Die Stricke knirschten über dem Holz. Es war aus ...
    »Die anderen!« schrie Westroff-Meyer.
    Einer der Jungen fiel ohnmächtig zu Boden und bohrte das Gesicht in den Schlamm. Ein anderer weinte.
    281
    Da zerrte man den zweiten Bauern zu der Linde. Die Hitlerjungen drängten sich aneinander wie verängstigte Hühner. Der Obersturmbannführer blies den Rauch in kleinen Portionen aus. Er sah gleichgültig zu, wie man den anderen beiden den Tod um den Hals legte. Für ihn war das Sterben nichts Heiliges, sondern etwas Alltägliches. Seine Augen glitten ausdruckslos über die Angehörigen der Verurteilten, die um Gnade bettelten.
    Er gab einem seiner Begleiter ein Zeichen, sie wegzudrängen. Dann wies er mit der Hand nach oben ... wo einmal Gott war.
    Der zweite und der dritte. Ihre Gesichter starben, als ihre Herzen noch schlugen. Westroff-Meyer nickte seinem Stab zu. Auf einmal hatte er es eilig. Bevor er in seinen Wagen stieg, um sich vor den zu spät anrollenden amerikanischen Panzern in Sicherheit zu bringen, ordnete er an, daß die Leichen der Gehängten zur Abschreckung an den Ästen der Linde zu belassen seien.
    Noch einmal sah Doris sein Gesicht. Sie zog sich in die letzte Kammer des Hauses zurück, beugte sich weinend über ihr Kind, das sich in eine friedliche Zukunft schlief ... Die neue Zeit rasselte auf Panzerketten näher. Und in ihrem Rhythmus vibrierten für Doris die Fragen: Wo ist Klaus? Lebte er noch? Sehe ich ihn wieder?
    Der erste Sherman hielt an der Linde. Ein junger Leutnant hob den Deckel und spuckte aus.
    Endlich durften die Frauen und Kinder kommen, um die toten Männer und Väter zu bergen.
    Der Rückzug war auf dem Vormarsch in den Untergang. Das letzte Bataillon auf dem Schlachtfeld hatte zu krepieren. Der zu einer infanteristischen Alarmeinheit versetzte Fliegerhauptmann Klaus Steinbach kommandierte es. Er führte Leute, die er nicht kannte, zu einer Kampfart, von der er nichts 282
    verstand, in einem Krieg, von dem er nichts mehr hielt. Es machte nichts aus. Die Männer hatten in sechs Jahren das Sterben gelernt und in zwei Tagen die letzte Munition verschossen. Jetzt, im April 1945, setzten die Sowjets zum letzten Sturm auf Berlin an. Es gab keine Stellung, keinen Graben, keinen Unterstand, keinen Schutz mehr gegen sie. In der Oder schwammen die Leichen der deutschen Nachhut. Sie trieben nach Norden. Die Russen stürmten nach Westen. Das Großdeutsche Reich war auf die Peripherie der Stadt Berlin zusammengeschmolzen. Die Lautsprecher dröhnten vom Endsieg.
    Am Morgen hatten 400 Mann der Einheit Steinbach Kaffee gefaßt. Am Abend lebten noch 72. Sie taumelten, torkelten, stolperten über zerfetzte Menschen, die das Ebenbild Gottes sein sollten. Sie fielen über Pferdekadaver, von denen Fliegenschwärme aufstiegen. Sie fluteten an zertrampelten Kindern vorbei. Liefen sie zu langsam, wurden sie von den Russen niedergewalzt, waren sie zu schnell, von der Feldgendarmerie aufgehängt. Es gab keine Waffen, keine Verpflegung, kein Ziel. Die Flucht

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