3 Rittergeschichten - Erst ich ein Stück, dann du
seine Arme und Beine viel zu kurz. Sie reichten nicht bis in die eisernen Hände und Füße hinunter. An Laufen oder gar einen Schwertkampf war also nicht zu denken.
Aber das würde zum Glück auch gar nicht nötig sein. Ein schwebender Ritter war so gruselig, dass es ohnehin keiner mit ihm aufnehmen würde. Dessen war Gustav sich sicher.
Kraftvoll drückte er seinen Kopf
gegen den Helm.
Langsam glitt Gustav nach oben.
Die Rüstung war ganz schön schwer.
Aber schließlich schaffte er es, sie eine Fußlänge vom Boden anzuheben und zur Tür hinaus in die Eingangshalle zu bewegen. Noch besser wäre es natürlich, wenn er es hinbekam, auch mit ihr zusammen durch Wände zu schweben. Gustav beschloss, es gleich mal auszuprobieren, und näherte sich mutig der Außenmauer.
Doch leider klappte es nicht. Die Rüstung rasselte laut scheppernd gegen die Wand und Gustav fiel mit ihr zu Boden. Er ächzte und stöhnte, nahm seine ganze Geisterkraft zusammen und richtete die Rüstung schließlich mühsam wieder auf.
Wieder hob Gustav vom Boden ab
und schwebte über die Treppe
in das obere Stockwerk hinauf.
Die Türen der Schlafsäle
waren alle geschlossen.
Gustav fluchte leise.
An Jakobs Kammer konnte er sich noch gut erinnern, sie lag genau über dem Gesindetrakt, aber dummerweise hatte er nicht die geringste Ahnung, wo Onkel Balduin schlief. – Wenn die beiden überhaupt schon in ihren Betten lagen! Gustav seufzte.
Ach, wenn er doch einfach die Türen öffnen und nachsehen könnte!
So aber blieb ihm nichts anderes übrig, als sich einen guten Platz zu suchen und geduldig darauf zu warten, bis die beiden auftauchten und er sie so sehr erschreckte, dass die beiden schreiend die Flucht ergriffen und nie wieder hierher zurückkamen.
Gustav segelte zur Treppe zurück
und platzierte sich
neben der oberen Stufe.
Von hier aus hatte er sowohl die Schlafsaaltüren als auch die Eingangshalle bestens im Visier. Gustav würde sofort mitbekommen, wenn Jakob oder sein Onkel Balduin auftauchten.
Eine ganze Weile versuchte er noch, die Rüstung in der Schwebe zu halten, aber mit der Zeit wurde sie schwerer und immer schwerer und allmählich sank Gustav mit ihr in Richtung Boden zurück. Die Füße der Rüstung berührten die kalten Steine, ihre Arme hingen schlaff herunter und ihre Knie knickten ein.
Gustav gähnte herzhaft. Dann fielen ihm die Augen zu und die Rüstung sackte noch ein Stück tiefer in sich zusammen.
„Chrrr“, machte Gustav leise. „Chrrr.“
„SCHRRR!“, hallte es laut aus der Rüstung heraus.
„SCHRRR!“
Irgendwo knarzte eine Tür.
Doch Gustav hörte es nicht,
denn er schlief mittlerweile tief und fest.
Die Rüstung schnarchte und schnarchte
und plötzlich kippte sie zur Seite.
Unter ohrenbetäubendem Geschepper und Gepolter fiel sie die Treppe hinunter. Gustav war natürlich sofort wieder hellwach, aber leider war er nicht stark genug, um die Rüstung anzuheben und den Sturz abzufangen. Und so kullerte er mit ihr zusammen bis in die Eingangshalle hinunter, wo er schließlich auf dem Rücken liegen blieb.
Leise fluchend versuchte Gustav, die Rüstung aufzurichten, da bemerkte er durch die Ritzen in seinem Visier einen weiteren Ritter, der eine ganz ähnliche Rüstung trug wie er selbst. Dieser Ritter stand genau neben ihm. – Und ein wild zappelnder Jakob klemmte unter seinem Arm!
Ein glühender Zorn ballte sich in Gustavs Bauch zusammen. Nicht, dass Jakob ihm in irgendeiner Weise ans Herz gewachsen wäre. – Ganz gewiss nicht! Aber das hier ging nun wirklich zu weit.
„Lass sofort den Jungen los!“, knurrte Gustav.
„Hahahaha!“, antwortete der Ritter mit einem dumpfen dunklen Lachen. „Du wagst es, mir einen solchen Befehl zu erteilen? Steh erst einmal auf und dann sehen wir weiter.“
Schwungvoll zog der fremde Ritter
ein Schwert hervor
und setzte es Gustav auf die Brust.
Gustav erstarrte.
Damit hatte er nicht gerechnet.
„Hilfe!“, schrie Jakob.
„Bitte hilf mir doch!“
Seine Stimme klang so ängstlich und flehentlich, dass es Gustav ins Herz schnitt. Er musste dem Jungen helfen, koste es, was es wolle!
Und so nahm er all seinen Willen und seine ganze Geisterkraft zusammen und erhob sich vom Boden.
Blitzschnell richtete er sich auf und schwebte einmal um den fremden Ritter herum. Doch das beeindruckte diesen wenig.
„Oh!“, rief er aus. „Du bist also ein Geisterritter! Na, umso besser! Dann kannst du mir nämlich
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