3 - Wächter des Zwielichts
warnte ich.
»Der kommt nicht, ich habe ein Kondom über den Rauchmelder gezogen.« Mit einer Kopfbewegung deutete Lass nach oben. Über den aus der Wand herauslugenden Melder war tatsächlich ein leicht aufgeblasenes Kondom gestülpt. Zartrosa, mit Plastiknoppen.
»Trotzdem glaube ich, dass du dir falsche Vorstellungen von der kasachischen Exotik machst«, sagte ich.
»Jetzt ist es zu spät, um darüber nachzudenken, schließlich sitz ich ja schon im Zug«, brummte Lass. »Heute Morgen ist es mir so durch den Kopf geschossen, warum ich eigentlich nicht mal nach Kasachstan fahre. Dann habe ich meine Sachen zusammengepackt, meinen Stellvertreter instruiert - und ab in den Zug.« Ich merkte auf. »Du bist einfach so los? Bist du immer so spontan?«
Lass dachte nach. Schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Aber diesmal hat es mich irgendwie angepikt ... Ach, lassen wir das. Genehmigen wir uns lieber noch ein letztes Schlückchen...«
Während er eingoss, schaute ich ihn mir abermals durchs Zwielicht an.
Selbst jetzt, da ich wusste, wonach ich suchte, nahm ich nur mit Mühe die Spur wahr - so elegant und leicht war die Berührung des unbekannten Anderen gewesen. Eine Spur, die bereits verlosch, die fast erkaltet war.
Eine einfache Intervention, zu der selbst der schwächste Andere in der Lage ist. Aber unglaublich akkurat!
»Gut«, stimmte ich zu. »Mir fallen die Augen auch schon zu... Aber ich hoffe, wir quatschen noch mal miteinander.«
In der nächsten Stunde durfte ich an Schlaf allerdings nicht denken. Mir stand ein Gespräch mit Edgar bevor, möglicherweise auch eins mit Geser.
Vier
Betrübt blickte Edgar auf die Scherben der Flasche. Leider eignete sich seine Aufmachung jedoch so gar nicht, schweren Kummer auszudrücken: weite, fröhlich bedruckte Unterhosen, ein ausgeleiertes Hemd und ein zwischen Unterhose und Hemd hervorlugendes Bäuchlein. Um ihr körperliches Erscheinungsbild sorgen sich Inquisitoren nicht sehr, sie vertrauen offenbar ganz auf kraftvolle Magie.
»Du bist hier nicht in Prag«, versuchte ich ihn zu trösten. »Das ist Russland. Wenn sich eine Flasche nicht ergibt, wird ihr hier der Hals umgedreht.«
»Jetzt muss ich eine Erklärung schreiben«, sagte Edgar finster. »Die Bürokraten in Tschechien sind nicht besser als die in Russland.« »Dafür wissen wir jetzt aber, dass Lass kein Anderer ist.«
»Nichts wissen wir«, brummte der Inquisitor mürrisch. »Ein positives Resultat wäre eindeutig gewesen. So ist es ein negatives ... nun, es könnte schließlich sein, dass er als sehr starker Anderer die Falle gespürt hat. Und sich dann einen Scherz erlaubt hat... zumindest was er dafür hält.«
Ich hüllte mich in Schweigen. Diese Möglichkeit durften wir in der Tat nicht außer Acht lassen.
»Er wirkt nicht wie ein Anderer«, bemerkte Kostja leise. Er saß bloß in Unterhose im Bett, schweißgebadet und schwer atmend.
Offenbar hatte er zu lange im Körper einer Fledermaus Unfug getrieben. »Ich habe ihn im Assol überprüft. Mit allen Mitteln. Und jetzt auch... Er wirkt nicht wie ein Anderer.«
»Wir beiden haben auch noch ein Wörtchen miteinander zu reden«, fuhr ihn Edgar an. »Warum bist du direkt vor seinem Fenster herumgeflattert?« »Ich habe ihn beobachtet.«
»Hättest du nicht an die Decke fliegen und dich kopfüber da hinhängen können?«
»Bei einer Geschwindigkeit von hundert Stundenkilometern? Ich bin zwar ein Anderer, aber die Gesetze der Physik kann ich nicht ändern. Es hätte mich fortgerissen!«
»Aber die Physik hindert dich nicht daran, mit einer Geschwindigkeit von hundert Stundenkilometern zu fliegen? Du kannst dich halt bloß nicht auf das Dach des Zuges setzen, ja?«
Kostja zog die Brauen zusammen und hüllte sich in Schweigen. Er langte nach seinem Jackett und beförderte eine kleine Flasche zu Tage. Und trank einen Schluck, irgendein dickes dunkelrotes, fast schwarzes Zeug.
Edgar runzelte die Stirn. »Was ist? Brauchst du bald was... zu essen?«
»Wenn ich mich nicht mehr transformieren muss, erst morgen Abend.« Kostja schüttelte die Flasche. Etwas gluckerte träge. »Zum Frühstück reicht es noch.«
»Ich könnte ... angesichts der besonderen Umstände ...« Edgar schielte zu mir herüber. »... dir eine Lizenz geben.«
»Nein«, sagte ich schnell. »Das würde den derzeitigen Status quo zerstören.«
»Konstantin steht jetzt in Diensten der Inquisition«, erinnerte mich Edgar. »Die Lichten werden entsprechend Kompensation
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