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3 - Wächter des Zwielichts

3 - Wächter des Zwielichts

Titel: 3 - Wächter des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Zwieback hatte Lass aus meiner Wohnung mitgebracht. Mit der Erklärung, er habe sich heute überhaupt nicht um Essen gekümmert.
    »Alle im Haus leben so«, setzte er mir auseinander. »Sicher, es gibt natürlich auch diejenigen, bei denen das Geld sowohl für die Handwerker wie auch für die Ausstattung reicht. Aber mach dir doch mal klar, was es für ein Vergnügen ist, in einem leeren Haus zu wohnen. Man wartet darauf, bis solche Deppen wie du und ich fertig mit den Umbauten sind und das Haus voll wird. Das Cafe ist geschlossen, das Casino leer, die Security-Leute werden vor Langeweile verrückt... Gestern sind zwei von denen geflogen. Die haben sich in den Büschen hier im Hof eine Schießerei geliefert. Angeblich haben sie was ganz Schreckliches beobachtet. Na ja ... sie wurden gleich zum Arzt gebracht. Wie sich herausstellte, waren die beiden total zugekifft.«
    Bei diesen Worten holte Lass ein Päckchen Belomor aus seiner Tasche. »Willst du?«, fragte er mit viel sagendem Blick.
    Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ein Mensch, der so begeistert Wodka trank, sich mit Marihuana abgab. Ich schüttelte den Kopf. »Rauchst du viel?«, fragte ich.
    »Das ist heute schon die zweite Schachtel«, seufzte Lass. In dem Moment begriff er mich. »Echt, Anton! Das sind Belomor! Kein Gras! Früher habe ich Gitane geraucht, doch dann ist mir klar geworden, dass die auch nicht anders schmecken als unsere Belomor!« »Wie originell«, meinte ich.
    »Was hat das damit zu tun?«, blaffte Lass. »Es geht mir nicht darum, originell zu sein. Sobald ein Mensch aus seiner Haut raus will, ein anderer sein will...«
    Ich erschauerte, doch Lass fuhr gelassen fort. »... nicht so sein will wie alle, heißt es gleich: Der hält sich für was Besonderes. Mir schmecken die Belomor einfach. In einer Woche habe ich vielleicht die Schnauze voll, dann höre ich damit auf.«
    »Ist doch nicht schlimm, wenn man mal ein Anderer sein will«, ließ ich einen Probeballon los.
    »Wirklich ein anderer zu sein ist schwer«, erwiderte Lass. »Vor ein paar Tagen habe ich gedacht...«
    Abermals merkte ich auf. Der Brief war vor zwei Tagen abgeschickt worden. So glatt konnte sich doch nicht alles auflösen?
    »Ich war im Krankenhaus, während der Sprechstunde dort. Da habe ich alle Preislisten studiert«, fuhr Lass fort, nichts Böses ahnend. »Bei denen ist alles ganz seriös. Titanprothesen als Ersatz für verlorene Extremitäten. Schenkelknochen, Kniegelenke, Hüftgelenke, Kiefer ... Der Preis für einen Schädel anstelle der eingebüßten Knochen, der Zähne und anderer Kleinigkeiten ... Ich hab meinen Taschenrechner rausgeholt und berechnet, wie viel es kostet, sich sämtliche Knochen ersetzen zu lassen. Eine Million siebenhunderttausend Dollar. Allerdings vermute ich, dass man bei einem derartigen Großauftrag einen hübschen Rabatt bekommt. Zwanzig, dreißig Prozent. Und wenn du die Ärzte noch überzeugen kannst, dass das gute Reklame ist, brauchst du nicht mehr als eine halbe Million hinzublättern!«
    »Wozu?«, fragte ich. Dank dem Friseur konnten sich mir die Haare nicht mehr sträuben - es war einfach nichts mehr da.
    »Das ist doch interessant!«, erklärte Lass. »Stell dir vor, du musst einen Nagel einhauen! Du holst aus und schlägst mit der Faust auf den Nagel! Der dringt in den Beton ein! Titanknochen! Oder jemand versucht, dich zu verprügeln... Sicher, es gibt noch einige Mängel. Auch mit den künstlichen Organen steht es nicht gut. Aber die Richtung, in die der Fortschritt geht, freut mich.« Er goss uns noch einmal ein.
    »Ich glaube, der Fortschritt geht in eine andre Richtung«, versuchte ich meine Taktik zu ändern. »Man müsste die Möglichkeiten des Organismus besser nutzen. Was in uns steckt, ist doch ganz erstaunlich! Telekinese, Telepathie...«
    Lass setzte eine bedripste Miene auf. So gucke ich auch aus der Wäsche - wenn ich es mit einem Idioten zu tun habe. »Kannst du meine Gedanken lesen?«, fragte er. »Jetzt nicht«, gab ich zu.
    »Ich glaube, wir brauchen hier keine neuen Fähigkeiten zu ersinnen«, erklärte Lass. »Alles, was der Mensch kann, ist seit langem bekannt. Wenn die Menschen Gedanken lesen, levitieren und ähnlichen Unsinn vollbringen könnten, wäre das längst bewiesen.«
    »Wenn ein Mensch plötzlich solche Fähigkeiten besitzt, wird er sie vor seiner Umwelt verbergen«, entgegnete ich und beobachtete Lass durchs Zwielicht. »Wenn er wirklich so etwas wie ein Anderer wäre, würde er den Neid und die

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