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3 - Wächter des Zwielichts

3 - Wächter des Zwielichts

Titel: 3 - Wächter des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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nichts von den Anderen. Da war ich mir absolut sicher. Und wenn es mir gelingen würde, mit jedem Mieter im Assol so die halbe Nacht lang zusammenzuhocken, dann könnte ich mir von jedem einzelnen ein genaues Bild machen.
    Allerdings gab ich mich dieser Illusion gar nicht erst hin. Nicht jeder würde mich reinbitten, nicht jeder würde über Gott und die Welt plaudern. Von den zehn Mietern abgesehen, gab es noch Hunderte von Menschen, die hier arbeiteten: Security-Leute, Installateure, Handwerker, Buchhalter. Niemals könnte ich die in absehbarer Zeit alle überprüfen!
    Nachdem ich geduscht hatte - in der Duschkabine hing ein komischer Schlauch, aus dem Wasser plätscherte -, kam ich in mein einziges Zimmer. Ich musste schlafen ... Morgen früh würde ich mir dann einen neuen Plan überlegen. »Hallo, Anton«, klang es vom Fenster herein. Ich erkannte die Stimme. Sofort fühlte ich mich beklommen.
    »Guten Abend, Kostja«, erwiderte ich. Guten Abend, das klang irgendwie unangemessen. Aber einem Vampir einen »Schlechten Abend« zu wünschen wäre noch dümmer gewesen. »Kann ich reinkommen?«, fragte Kostja.
    Ich trat ans Fenster. Kostja saß, mit dem Rücken zu mir, auf dem Fensterbrett und baumelte mit den Beinen. Er war splitterfasernackt. Als wolle er mir beweisen: Ich bin nicht die Fassade hochgeklettert, sondern als riesige Fledermaus an dein Fenster geflogen gekommen. Ein Hoher Vampir. Mit Anfang zwanzig. Ein fähiger Junge... »Lieber nicht«, lehnte ich ab.
    Kostja nickte, fing keinen Streit an. »Anscheinend sind wir auf denselben Fall angesetzt.« »Ja.«
    »Gut.« Kostja drehte sich zu mir um. Lächelte mit weißen Zähnen. »Ich freu mich, dass wir zusammenarbeiten. Aber du hast Angst vor mir, oder?« »Nein.«
    »Ich habe jede Menge gelernt«, prahlte Kostja. Genau wie damals, als er noch ein Kind gewesen war und verkündet hatte: »Ich bin ein schrecklicher Vampir! Ich werde lernen, mich in eine Fledermaus zu verwandeln! Ich werde fliegen lernen!«
    »Du hast gar nichts gelernt«, korrigierte ich ihn. »Du hast bloß jede Menge gestohlen.«
    »Das sind Wortklaubereien.« Kostja runzelte die Stirn. »Das ist nur eines der üblichen Wortspiele von euch Lichten. Ihr habt mir etwas angeboten, und ich habe es genommen. Irgendwas dagegen?«
    »Wir wollen uns doch nicht streiten, oder?«, fragte ich. Und hob die Hand, wobei ich mit den Fingern das Zeichen des Aton andeutete, das gegen alle Untoten feien soll. Schon lange wollte ich mal ausprobieren, ob die alten nordafrikanischen Zauber bei den russischen Dämonen von heute wirken.
    Ängstlich starrte Kostja auf das unvollendete Zeichen. Entweder wusste er davon, oder Kraft stürmte auf ihn ein. »Darfst du denn deine Tarnung aufgeben?«, fragte er.
    Wütend senkte ich die Hand. »Nein. Aber ich kann doch wohl ein Risiko eingehen.«
    »Das ist nicht nötig. Du brauchst nur ein Wort zu sagen, dann geh ich. Aber wo wir schon denselben Fall bearbeiten ..., sollten wir miteinander reden.«
    »Dann rede«, forderte ich ihn auf und zog einen der Hocker ans Fenster. »Du lässt mich also nicht rein?«
    »Ich möchte nachts nicht allein mit einem nackten Mann erwischt werden«, erklärte ich grinsend. »Wer weiß, was die Leute dann denken. Schieß los.« »Wie gefällt dir der T-Shirt-Sammler?« Fragend sah ich Kostja an.
    »Der aus dem neunten Stock. Er sammelt T-Shirts mit albernen Slogans.« »Der hat keine Ahnung«, versicherte ich.
    »Glaub ich auch.« Kostja nickte. »Acht Wohnungen sind belegt. Bei weiteren sechs tauchen die Mieter ab und an auf. In den übrigen nur äußerst selten. Alle Dauermieter habe ich schon überprüft.« »Und?« »Null. Sie wissen nichts von uns.«
    Ich erkundigte mich nicht, woher Kostja diese Gewissheit nahm. Immerhin war er ein Hoher Vampir. Die können einem mit der Leichtigkeit eines erfahrenen Magiers ins Bewusstsein eindringen.
    »Die übrigen sechs knöpfe ich mir morgen vor«, kündigte Kostja an. »Besondere Hoffnungen mache ich mir aber nicht.« »Hast du jemanden in Verdacht?«, fragte ich.
    Kostja zuckte die Schultern. »Jeder, der hier wohnt, hat genug Geld und Einfluss, um für einen Vampir oder einen Tiermenschen von Interesse zu sein. Für einen schwachen, gierigen ... frisch gebackenen Vertreter dieser Spezies. Auf diese Weise können wir den Kreis der Verdächtigen also nicht eingrenzen.«
    »Wie viele frisch gebackene niedere Dunkle gibt es zurzeit in Moskau?«, wollte ich wissen. Und wunderte mich selbst

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