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3 - Wächter des Zwielichts

3 - Wächter des Zwielichts

Titel: 3 - Wächter des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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auf der Welt etwas passiert. Aber noch nicht jetzt.«
    »Sprich mit mir, Sweta«, bat ich. »Ich muss noch eine halbe Stunde fahren. Sprich diese halbe Stunde mit mir, ja?«
    »Meine Handykarte ist fast alle«, erwiderte Swetlana mit zweifelnder Stimme.
    »Ich ruf dich jetzt zurück«, schlug ich vor. »Noch bin ich im Dienst, mein Handy ist von der Firma. Soll doch Geser ruhig dafür zahlen.« »Und dein Gewissen meldet sich da nicht?«, lachte Swetlana. »Heute ist es gut trainiert.«
    »Gut, du brauchst aber trotzdem nicht zurückzurufen, ich verzaubere mein Handy«, meinte Swetlana. Im Spaß oder im Ernst. Nicht immer verstand ich, wann sie einen Scherz machte.
    »Dann erzähl mal«, forderte ich sie auf. »Wie es sein wird, wenn ich komme. Was Nadjuschka sagt. Was du sagst. Was deine Mutter sagt. Was wir machen.«
    »Alles wird sehr schön werden«, fing Swetlana an. »Ich werde mich freuen, und Nadja auch. Und meine Mutter wird sich freuen...«
    Ich fuhr Auto, während ich unter Verletzung all der strengen Vorschriften der Verkehrspolizei das Handy mit einer Hand ans Ohr presste. Auf der Gegenfahrbahn sausten in einem fort Laster an mir vorbei. Ich lauschte dem, was Swetlana mir erzählte. Aus den Lautsprechern erklang immer noch die leise Frauenstimme: Kommst du zurück, wird alles anders sein, Wir müssten uns erkennen. Kommst du zurück, kannst du mich nicht mehr Frau, Nicht einmal Freundin nennen. Kommst du zurück zu mir, Die dich so sehr geliebt vor allen, Kommst du zurück, du siehst: Die Würfel sind schon längst gefallen.

 
Zweite Geschichte
 
Niemandsraum

Prolog
    Schon immer machten im Umland von Moskau entweder arme oder reiche Menschen Urlaub. Dagegen bevorzugt die Mittelklasse türkische Hotels, bei denen »alles inklusive ist, Getränke frei Hahn«, entscheidet sich für die Siesta im brütend heißen Spanien oder für den sauberen Strand Kroatiens. In Mittelrussland verbringt die Mittelklasse ihren Urlaub jedoch nicht gern. Übrigens ist die Mittelklasse in Russland nicht zahlreich.
    Ein Biologielehrer gehört, selbst wenn er an einem renommierten Moskauer Gymnasium unterrichtet, nicht dazu. Wenn der Lehrer dann noch eine Lehrerin ist, deren Schweinehund von Mann sie vor drei Jahren wegen einer andern hat sitzen lassen und die um ihre Pflicht als Mutter, die beiden Kinder zu erziehen, nicht herumkommt, dann kann sie von türkischen Hotels nur träumen.
    Glücklicherweise hatten die Kinder das schreckliche Alter der Pubertät noch nicht erreicht und freuten sich aufrichtig, zu der alten Datscha zu fahren, begnügten sich mit dem kleinen Fluss und dem direkt hinterm Dorf beginnenden Wald.
    Bedauerlicherweise legte die ältere Tochter jedoch zu viel Gewicht auf ihren Status als Ältere. Freilich, mit zehn Jahren kann man schon recht gut auf den fünfjährigen Bruder aufpassen, wenn er in dem Flüsschen herumplanscht, sollte aber immer noch nicht - womöglich im Vertrauen auf die aus dem Schulbuch Unsere Heimat erworbenen Kenntnisse - zu tief in den Wald hineingehen.
    Bislang war der zehnjährigen Xjuscha freilich nicht einmal bewusst, dass sie beide sich im Wald verlaufen hatten. Fest hielt sie ihren Bruder bei der Hand und ging einen kaum zu erahnenden Pfad entlang. »Und dann haben sie wieder Kiefernpflöcke in ihn hineingehauen!«, erzählte sie. »Einen Pflock in die Stirn, einen in den Bauch! Er ist aus dem Grab auferstanden und hat gesagt: >Trotzdem werdet ihr mich nicht umbringen! Ich bin schon lange tot! Und ich heiße ...<« Ihr Bruder wimmerte leise.
    »Schon gut, keine Angst, das war doch nur ein Spaß«, sagte Xjuscha ernst. »Er ist umgefallen und war tot. Man hat ihn begraben und ein Fest gefeiert.«
    »Sch-sch-schrecklich«, gab Romka zu. Er stotterte nicht vor Angst, er stotterte immer. »So was er-erzählst du mir nie wiewieder, ja?«
    »Versprochen«, erwiderte Xjuscha und sah sich um. Hinter ihnen ließ sich der Pfad noch erkennen, vor ihnen verlor er sich indes unter abgefallenen Tannennadeln und verfaulten Blättern. Unmerklich war der Wald schummrig und dunkel geworden. Er glich hier nicht mehr dem hinterm Dorf, wo ihre Mutter eine Datscha gemietet hatte, ein altes, aufgegebenes Haus. Sie mussten umkehren, bevor es zu spät war. Als ältere und besorgte Schwester wusste Xjuscha das. »Gehen wir nach Hause, sonst schimpft Mama noch mit uns.«
    »Da ist ein Hund«, sagte ihr Bruder plötzlich. »Guck mal, da ist ein Hund!« Xjuscha drehte sich um.
    Hinter ihr stand

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