3 - Wächter des Zwielichts
gekommen.
Mich bedrängt der Inquisitor
Er sortiert die Instrumente:
»Sag mir, was du weißt, sag alles,
weil es dir nur nützen könnte.«
Glaubt, er kriegt mich auf, als ob ich
Irgend so ein Koffer wär,
Weiß, da ist ein Doppelboden,
Scheint der Koffer noch so leer.
Solche Zufälle mag ich nicht! Selbst ganz gewöhnliche Menschen können die Realität beeinflussen, sie sind bloß nicht in der Lage, ihre Kraft zu lenken. Jeder Mensch kennt das: Der Autobus, der genau im richtigen Moment kommt - oder eben hartnäckig nicht kommt; ein Lied aus dem Radio, das hundertprozentig zu deinen Gedanken passt; ein Anruf von jemandem, an den du gerade gedacht hast... Es gibt übrigens eine sehr einfache Möglichkeit, um herauszubekommen, ob du nah an den Möglichkeiten eines Anderen bist. Wenn du mehrere Tage hintereinander bei einem zufälligen Blick auf die Uhr die Ziffern 11:11, 22:22 oder 00:00 siehst, heißt das, dass deine Beziehung zum Zwielicht an Bedeutung gewinnt. In diesen Tagen solltest du auf deine Vorgefühle und Ahnungen hören...
Aber das sind Lappalien, die Menschen betreffen. Für Andere ist die Beziehung mit dem Zwielicht genauso unbewusst wie für Menschen, wirkt sich aber weitaus stärker aus. Und mir gefiel überhaupt nicht, dass ausgerechnet jetzt das Lied vom Großinquisitor kam.
Wenn ich noch bei Kräften wäre,
Sagte ich zu ihm: »Mein Herr,
Ich weiß gar nicht, was hier vorgeht,
Wo ich bin und was und wer;
So verwirrt sind alle Straßen,
dass ich kaum noch gehen kann.«
Doch das will er mir nicht glauben,
Zieht die Daumenschraube an.
Glaubt, er kriegt mich auf,
als ob ich Irgend so ein Koffer wär,
Weiß, da ist ein Doppelboden,
Scheint der Koffer noch so leer.
Hm. Auch ich hätte zu gern gewusst, was die Welt im Innersten zusammenhält... Jemand klopfte mir sanft auf die Schulter. »Ich schlafe nicht, Sweta«, sagte ich. Und öffnete die Augen.
Der Inquisitor Edgar schüttelte den Kopf und deutete ein Lächeln an. Von seinen Lippen las ich: »Tut mir leid, Anton, aber ich bin nicht Sweta.« Trotz der Hitze trug Edgar Anzug, Krawatte und schwarze Lackschuhe, auf denen sich nicht ein einziges Staubkörnchen niedergelassen hatte. In dieser Stadtkleidung wirkte er noch nicht mal albern. Das nenn ich baltisches Blut!
»Ja, woher ...!«, rief ich und wälzte mich aus der Hängematte. »Edgar?«
Edgar wartete geduldig. Ich stöpselte die Kopfhörer aus den Ohren, atmete durch. »Ich habe Urlaub«, sagte ich. »Einen Mitarbeiter der Nachtwache in der arbeitsfreien Zeit zu stören ist laut Vorschrift...«
»Anton, ich wollte Sie nur mal besuchen«, versicherte Edgar. »Haben Sie etwas dagegen?«
Edgar war mir nicht unsympathisch. Niemals würde aus ihm ein Lichter werden, doch sein Wechsel zur Inquisition hatte mir Respekt abgenötigt. Wenn Edgar mit mir reden wollte, würde ich mich jederzeit mit ihm treffen.
Aber nicht auf der Datscha, wo Sweta und Nadjuschka Urlaub machten!
»Ja«, erwiderte ich eisern. »Wenn Sie keine offizielle Verfügung haben, dann verlassen Sie mein Territorium!«
Mit einer unsagbar albernen Geste wies ich auf den schiefen Zaun. Territorium - das Wort war mir einfach so herausgerutscht.
Edgar seufzte. Und griff langsam in die Innentasche seines Jacketts.
Ich wusste, was er herausholen würde. Doch es war zu spät, um jetzt einen Rückzieher zu machen.
Die Verfügung des Moskauer Büros der Inquisition teilte mir mit, dass »wir im Rahmen einer dienstlichen Aufklärung dem Mitarbeiter der Moskauer Nachtwache Anton Gorodezki, Lichter Magier zweiten Ranges, gebieten, er möge dem Inquisitor dritten Ranges Edgar alle nur denkbare Hilfe gewähren«. Eine Verfügung der Inquisition hatte ich nie zuvor gesehen, und auch jetzt fielen mir nur Kleinigkeiten auf: Die Inquisition maß die Kraft weiterhin in den altmodischen »Rängen«, genierte sich nicht, ein Wort wie »gebieten« zu gebrauchen und nannte die eigenen Mitarbeiter selbst in offiziellen Dokumenten nur mit dem Vornamen.
Dann bemerkte ich das Wesentliche. Unten prangte der Stempel der Nachtwache und in Gesers Schrift: »Zur Kenntnis genommen, stattgegeben«. Das wurde ja immer schöner!
»Und wenn ich ablehne?«, fragte ich. »Sie müssen wissen, es gefällt mir nicht, wenn mir jemand etwas gebietet.«
Edgar runzelte die Stirn und linste zu dem Formular hinunter. »Unsere Sekretärin ist schon dreihundert Jahre alt«,
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