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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Zuweileh zu dem Kutb gebetet hatte, der machte mir Bedenken. Er war zwar von mir beschenkt worden, hatte aber gesagt, daß wir nun quitt seien. Wir mußten unbedingt in die Moschee, und er war Diener an derselben. Welche Vorsicht war da anzuwenden, daß er uns nicht zu sehen bekam!
    Außerdem fragte ich mich, wie wir den Knaben ausfindig machen wollten. Am besten wohl durch einen Besuch der Schule, falls dieser erlaubt war. Doch, das fand sich schon; das mußten die Verhältnisse ergeben.
    Was Girard, den Händler, betrifft, so war er jetzt sehr schweigsam geworden. Er wußte, daß wir einer Gefahr entgegengingen; ihre volle Größe hatte er aber nicht gekannt; nun jedoch, als wir uns unserm Ziel näherten, mochte es ihm doch anders um das Herz werden als bisher.
    Da sahen wir den nördlichen Stadtteil vor uns liegen und durchschritten ihn auf denselben Gassen, durch welche ich damals auch gegangen war. Uns ein Unterkommen zu suchen, das hoben wir für später auf; wir begaben uns direkt nach der Moschee, welche sehr besucht war. Wir knieten wie die andern nieder, scheinbar um unser Gebet zu verrichten; anstatt dessen aber flog mein Blick von Person zu Person, um mich zu orientieren. Girard gestand mir später, daß er wirklich gebetet hatte um das Gelingen unseres kühnen Planes.
    Darauf gingen wir, wie es eben fremde Pilger tun, langsam durch die Säulenhallen, um die wunderbare Architektur zu betrachten. Als uns da ein Moscheebediensteter begegnete, fragte ich ihn nach der Schule der Knaben und er machte sehr bereitwillig den Führer.
    Sie machte sich schon von weitem durch die Kinderstimmen kenntlich, welche Koranverse plärrten. Wir durften in den Raum treten; es waren viele Zuhörer da. Wir fanden lauter ältere Knaben; die jüngeren hatten später Unterricht. Wir gingen also einstweilen wieder fort.
    Eben als wir aus der Tür traten, wollte jemand hinein, und dieser jemand war – der bittende Soldat vom Tor Zuweileh. Wir erkannten einander augenblicklich.
    „Maschallah!“ rief er aus. „Effendi du! Du abermals!“
    Ich ging ruhig weiter, als ob seine Worte mich gar nichts angingen. Er kam mir nach, faßte mich am Arm und sagte:
    „Effendi, was wagst du wieder! Es ist – – –“
    „Was willst du von mir?“ unterbrach ich in streng im Dialekt der westlichen Sahara.
    „Wer bist du, Herr?“ fragte er, irre geworden.
    „Ich bin ein Beni Schugara vom Ufer des Hamam.“
    Ich hatte meine Stimme verstellt, und der fremde Dialekt dazu, das wirkte.
    „Verzeih, o Herr; ich verkannte dich!“ sagte er und ging; aber ich bemerkte, daß er uns heimlich folgte.
    „Wer war der Mann?“ fragte der Franzose.
    Ich sagte es ihm.
    „So sind wir verloren!“ klagte er.
    „Nein.“
    „Gehen wir fort!“
    „Auch nein! Das würde ihn in seinem Verdacht bestärken. Wir bleiben nun erst recht.“
    Gegen Abend wurden die Lampen angebrannt, und das Innere der Moschee erglänzte feenhaft in einem Meer von Licht. Der Unterricht der Kleinen begann. Es waren wohl an die Hundert erwachsene Zuhörer da. Wir gesellten uns zu ihnen. Da kamen die Knaben und setzten sich nieder. Der Lehrer war noch nicht da; sie warteten. Aber mehrere Moscheediener standen am Eingang. Es herrschte tiefe Stille; da plötzlich rief eine helle jubelnde Kinderstimme:
    „Mein Vater, o Allah, mein Vater!“
    Ein hübscher, etwa sechsjähriger Knabe sprang auf und kam mit ausgestrecktem Ärmchen auf uns zugesprungen.
    „Mein Sohn, mein liebes, liebes, geraubtes Kind!“ schrie der Vater unvorsichtig. Er bückte sich nieder und hob den Knaben an seine Brust.
    Ich hätte entspringen können, wollte Girard aber nicht verlassen. Einen Augenblick lang tiefe Stille, dann schrie einer der Diener:
    „Das sind Christen, zwei verfluchte Christen! Tötet sie!“
    Wir waren sofort umringt. Man wollte uns niederreißen. Ließ ich es dazu kommen, so wurden wir gewiß zertreten. Ich stemmte mich also fest, wehrte die Wütenden nach Kräften von mir ab und rief:
    „El Adala, el Adala – Gerechtigkeit, Gerechtigkeit! Man soll erst untersuchen, ob wir Christen sind!“
    „Ja“, ertönte eine Stimme. „Im Namen dieser hohen Moschee des heiligen Okba Ben Nafi! Wir arretieren diese beiden Fremden; laßt sie los, ihr Gläubigen! Das Gericht der Medsched wird sie verhören. Macht Platz, macht Platz!“
    Es war der Moscheediener aus Kairo. Er kam mit acht oder zehn Kollegen zu uns und drängte die Menge von uns ab. Sie umringten uns und schafften uns fort, durch

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