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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Lager, sondern sie kommen uns entgegen.“
    „Was machen wir? Weichen wir zur Seite?“
    „Nein; ich habe mich schon vorhin geweigert, dies zu tun. Wenn wir ihnen auch auswichen, würden sie uns dennoch den Weg verlegen.“
    „So reiten wir ruhig weiter?“
    „Wir steigen ab, nehmen unsere Gewehre zur Hand und stellen uns hinter die Pferde, welche uns Deckung gewähren. Was dann folgt, das wird sich zeigen. Nur keine Angst, Halef!“
    „Angst! Willst du mich beleidigen, Sihdi? Ich wünsche sogar, daß sie nicht in Frieden vorüberziehen, sondern uns ihre Zähne zeigen, die ich ihnen alle einzeln aus den Mäulern schießen werde!“
    Der kleine Hadschi drückte sich zwar in der überschwenglichen morgenländischen Art aus, aber es war sicher, daß er keine Spur von Angst fühlte.
    Wir befanden uns vielleicht noch tausend Schritte von der grünen Buschecke entfernt, von der ich vorhin gesprochen hatte, als wir die Reiter um dieselbe kommen sahen. Ich zählte fünfundzwanzig Mann. Acht oder zehn von ihnen waren in gewöhnliche Tracht gekleidet. Die übrigen trugen riesig breite Turbane von fast zwei Ellen Durchmesser; das mußten unbedingt Kurden sein. Als sie uns erblickten, hielten sie an, trieben dann aber ihre Pferde weiter, doch nicht so schnell, wie sie vorher geritten waren. Wir standen, sie erwartend, hinter unseren Pferden. Es war keine angenehme Situation, und ich würde lügen, wenn ich nicht eingestände, daß wir uns in ungewöhnlicher Spannung befanden. Bald konnten wir ihre Gesichter erkennen. Da rief Halef:
    „Maschallah! Das sind Kurden und Armenier. Der Armeni ist auch dabei. Er reitet mit dem alten, graubärtigen Kurden, welcher der Anführer zu sein scheint, voran.“
    „Maschallah!“ rief auch ich. „Erkennst du den alten Graubart?“
    „Nein, noch nicht.“
    „Es ist Melef, der verräterische Scheik der Schirwani-Kurden, der uns damals nach dem Leben trachtete.“
    „Wahrhaftig, er ist's! Die Zeit der Strafe ist gekommen. Wenn er nicht Frieden hält, wird meine erste Kugel sich eine Wohnung hinter seiner Stirn suchen.“
    „Gerade weil er dabei ist, hoffe ich, daß es zu keinem Blutvergießen kommt. Er kennt die Überlegenheit meines Henrystutzens und die außerordentliche Tragweite meines Bärentöters. Er weiß, daß meine Kugeln viel weiter gehen als die ihrigen und daß ich zwischen den einzelnen Schüssen nicht zu laden brauche. Das sind allerdings nur fünfundzwanzig Patronen; er aber ist der Überzeugung, daß ich in alle Ewigkeit schießen könnte, ohne zu laden. Wollen versuchen, ob uns das zum Nutzen wird.“
    Ich trat hinter dem Pferd hervor, winkte mit den beiden Gewehren und rief:
    „Halt! Keinen Schritt weiter, sonst schieße ich!“
    Zu meiner Freude zeigte sich die gehoffte Wirkung augenblicklich. Der alte Kurdenscheik hatte mich erkannt, er hob nach seinen Leuten hin warnend die Hand und schrie:
    „Katera peghamber – um des Propheten willen, haltet an, haltet an! Er ist's wirklich! Wer hätte das gedacht! Seine Gewehre tragen so weit, daß die Kugeln durch alle Berge und über alle Täler gehen. Er braucht nicht zu laden, und ehe wir ihn zu erreichen vermögen, hat er uns alle von den Pferden geschossen. Haltet an; haltet an!“
    Als Halef das hörte, sagte er, leise lachend:
    „Hamdullillah – Preis sei Gott! Der Kerl hat noch Angst von damals her. Es wird uns also gelingen, der Gefahr zu entgehen.“
    Ich legte den Stutzen auf die Reiter an und rief ihnen zu:
    „Wer nur einen Schritt weiter reitet, wird erschossen. Aber meine Seele wünscht den Frieden: es mögen zwei von euch unbewaffnet herbeikommen, mit denen ich sprechen werde; es soll ihnen nichts geschehen, und sie können frei und unbeschädigt zurückkehren.“
    Die Kerls verhandelten eine kurze Zeit miteinander, dann stiegen der Kurdenscheik und der Armeni von ihren Pferden, legten ihre Waffen ab, und zwar so, daß wir dies sahen, und kamen dann langsam herbeigeschritten. Als sie uns fast erreicht hatten, blieben sie stehen, doch ohne einen Gruß auszusprechen.
    „Warum hältst du uns mitten auf unserem Weg an?“ fragte der Scheik, indem er mich mit finsterem Blick musterte.
    „Es steht euch frei, augenblicklich weiter zu reiten“, antwortete ich.
    „Du hast uns aber doch gedroht, zu schießen, sobald wir nur einen Schritt noch machen!“
    „Nur unserer Sicherheit wegen. Reitet ihr in einem so weiten Bogen um uns herum, daß eure Gestalten für unsere Augen halb so groß sind wie jetzt, so

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