30 - Auf fremden Pfaden
werden wir unseren Weg ruhig fortsetzen und unsere Kugeln in den Läufen behalten.“
„Wo kommt ihr her?“
„Aus Persien.“
„Wo wollt ihr hin?“
„Hinunter an den Tigris.“
„Habt ihr noch Freunde und Begleiter hinter euch?“
„Nein.“
„Ihr seid ganz allein?“
„Ja.“
„Chodih (kurdisch: Herr), ich weiß, daß nie eine Lüge über deine Lippen kommt; ich kenne dich. Sagst du auch jetzt, was wahr ist?“
„Ja.“
Er drehte sich um und sprach lange und leise auf seinen Begleiter ein. Wir konnten nichts verstehen; darum beobachtete ich das Mienenspiel der beiden scharf, um daraus auf den Inhalt des Gesprächs zu schließen. Der Armeni hätte sich gar zu gerne an uns gerächt; er warf die feindseligsten Blicke auf uns und schien den Vorstellungen des Alten keinen Glauben zu schenken. Ihre Augen fielen sehr oft auf meine beiden Gewehre; diese waren es, vor denen sich der Scheik so fürchtete. Er schien endlich mit seiner Ansicht durchgedrungen zu sein, denn er wandte sich mit den Worten zu mir:
„Chodih, du bist auf deine Sicherheit bedacht; aber gerade diese verbietet dir, weiterzureiten.“
„Warum?“
„Da hinter uns lagert ein ganzer Stamm von Schirwani-Kurden, und du weißt, daß meine Krieger deine Feinde sind.“
„Ich fürchte mich nicht vor ihnen; das habe ich dir ja bewiesen.“
„Ich weiß es; aber wenn du weiterreitest, wird unbedingt Blut fließen. Kannst du deinen Weg nicht auf der anderen Seite des Flusses fortsetzen?“
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Weil wir nach Arbil wollen.“
„Müßt ihr denn unbedingt dorthin?“
„Ja, unbedingt.“
Er dachte einige Augenblicke nach und fuhr dann fort: „So will ich dir, um Unfrieden zu vermeiden, einen Vorschlag machen. Wenn du auf denselben eingehst, ist alles gut.“
„So sprich; ich höre.“
„Geht hier über den Fluß und reitet einen und einen halben Kuladsch (Meile) auf der andern Seite desselben; dann könnt ihr wieder herüber und den Weg nach Arbil fortsetzen. Aber ihr dürft ja nicht zurückkehren, sondern müßt von da aus, wo ihr wieder an dieses Ufer herüberkommt, westlich oder nördlich, aber ja nicht östlich reiten.“
„Hm! Wir fürchten uns nicht vor euch und haben gar nicht nötig, unsere Füße naß zu machen; aber damit du siehst, daß wir gern Frieden halten, sind wir bereit, auf deinen Vorschlag einzugehen.“
„Also hier gleich über den Fluß hinüber?“
„Ja.“
„Dann anderthalb Kuladsch weiter?“
„Ja.“
„Dann wieder herüber und ja nicht östlich?“
„Einverstanden!“
„Ich weiß, daß du dein Wort stets so hältst, als ob es ein teurer Schwur sei. Gibst du mir dein Wort, daß du dich nach meinem Verlangen halten wirst?“
„Ich gebe es.“
„So sind wir fertig, und wir werden zu unseren Leuten zurückkehren.“
Er drehte sich um und schritt ohne einen Gruß von dannen; der Armeni jedoch fauchte mich wie eine wütende Katze an:
„Jetzt bist du mir wieder entgangen; aber du hast mich einen Lügner und Betrüger genannt, und falls du dich je wieder vor mir sehen läßt, wird es dich das Leben kosten!“
Darauf ging auch er.
„Sihdi, soll ich ihm die Peitsche über das Gesicht hauen?“ fragte mich Halef.
„Nein. Wir müssen jetzt schnell, ehe sie kommen, über den Fluß, denn wenn sie hier eintreffen, und wir befinden uns noch im Wasser, sind wir ihren Kugeln fast wehrlos ausgesetzt. Also rasch vorwärts!“
Der Zab war hier breit, aber nicht tief. Wir trieben unsere Pferde hinein. Das kühle Bad bekam ihnen bei der jetzt herrschenden Hitze ganz wohl, und sie regten sich so munter, daß wir uns dem jenseitigen Ufer schnell näherten. Dennoch saß ich in Viertelwendung im Sattel und behielt, den Stutzen schußbereit in der Hand, das rückwärtige Ufer scharf im Auge, um einem hinterlistigen Attentat mit der Kugel vorzubeugen. Es geschah aber nichts derartiges, und eben als wir uns wieder auf dem Trockenen befanden, sahen wir die Reiter jenseits ankommen. Sie blieben halten und schrien zornige Worte herüber; dann ritten sie fort, ohne zu ahnen, daß ich sie zählte. Wir drangen durch das Gebüsch, welches das linke Ufer besäumte, und sahen sie nicht mehr, konnten aber auch von ihnen nicht mehr gesehen werden. Da hielt Halef sein Pferd an und sagte kopfschüttelnd:
„Sihdi, ich begreife dich nicht. Wie kann ein Mann, wie du bist, auf solche Forderungen eingehen? Nun ist alles, alles aus!“
„Was ist aus?“
„Meine ganze, ganze Freude auf
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