30 - Auf fremden Pfaden
fast wie Halef und jener ähnlich wie ich gekleidet, waren zu den Zibari gekommen und gastlich aufgenommen worden; am nächsten Morgen waren sie verschwunden gewesen und Schefaka mit ihnen. Scheri Schir und Hamsa Mertal hatten sich mit den gerade vorhandenen Kriegern aufgemacht, sie zu suchen; sie hatten zugleich Boten zu den übrigen Abteilungen des Stammes geschickt. Eine dieser Abteilungen befand sich in der Nähe des Weges, den ich heute mit Halef geritten war, auf der Weide; ein Angehöriger derselben hatte uns reiten sehen und uns infolge des Umstandes, daß ich groß und Halef klein war, für die Gesuchten gehalten. Er meldete dies dem Nezanum und dieser schickte uns einen Späher nach, welcher bald zurückkehrte, um zu melden, daß wir nicht Lager gemacht hätten, sondern wieder umgekehrt wären und bald kommen würden. Der Älteste hatte uns nun sofort die Falle gestellt, zu welcher sich die Höhle sehr gut eignete. Die beiden Seitenhöhlen waren geräumiger als der Mittelgang; in ihnen hatten sich die versteckt, die mich erst vorüberlassen und dann niederschlagen sollten. Ich war, allerdings ich allein, schneller in die Falle gegangen, als vermutet worden war; der angebliche arme Hirte hatte noch mehr und andere Gründe, uns in die Höhle zu locken, in petto gehabt. Halef sollte auch mit hinein, hatte aber auch so, wie es geschehen war, unschädlich gemacht werden können.
Nun ging es natürlich über die beiden Armenier her; doch war trotz aller Mühe nichts aus ihnen herauszubringen; sie gestanden nichts, und der Händler blieb bei seiner Behauptung, daß er Assad Benabi aus Mekka sei und mich noch nie gesehen habe. Aber selbst in dem ganz undenkbaren Fall, daß man nicht mir, sondern ihm geglaubt hätte, wäre es mir nicht schwer gefallen, ihn zu überführen: Er hatte sein Packpferd mit, und als ich nachsuchte, fand ich die Fläschchen mit dem angeblichen heiligen Öl, von dem ich ja in Gegenwart der Zibari-Kurden zu ihm gesprochen hatte; es war also klar, daß er mich heute getroffen haben mußte. Daß der Mensch trotzdem beim Leugnen blieb, empörte mich natürlich; Halef war ganz außer sich darüber. Er schrie ihn an:
„Mensch, Kerl, Schuft und Schurke, du bestehst nicht aus Fleisch und Blut und Knochen, sondern aus lauter Falschheit, Hinterlist und Lüge; aber ich werde deiner Seele ein so wirksames Munattik (Brechmittel) reichen, daß sie alles von sich geben soll, was sie in sich hat. Schau her; hier habe ich es in den Händen.“
Er zog bei diesen Worten die Nilhautpeitsche aus dem Gürtel und fragte den Scheik:
„Hoffentlich hast du nichts dawider, o Scheri Schir, daß ich diesen beiden Lieblingen des Scheïtan (Teufel) die Falten aus der Haut streiche. Erlaubst du es?“
Mich fragte der Schlaukopf nicht, denn er wußte gar wohl, daß von mir die Genehmigung zu einer solchen Prozedur nur schwer zu bekommen war; hier aber hätte ich sie augenblicklich gegeben; Scheri Schir war desselben Sinnes, denn er antwortete:
„Ja, sie sollen Prügel bekommen, bis sie alles gestehen; aber du sollst dich nicht damit bemühen, mein wackerer Halef. Ich habe hier Leute genug, welche sich auf diese Arbeit verstehen. Die Halunken sollen die Hiebe nicht auf den Körper, sondern auf die Fußsohlen erhalten; da sind sie fühlbarer und die Wirkung tritt viel schneller ein. Man bereite die Degenek (Bastonade) vor!“
Das war nun allerdings das einzige Mittel, aus den Armeniern das herauszubringen, was wir unbedingt wissen mußten. Es war vorauszusehen, daß sie schreien würden, und ich hielt es für möglich, daß die feindlichen Schirwani-Kurden auf den Gedanken gekommen seien, dem Kys-Kaptschiji Sicherheitsspäher nachzusenden; darum forderte ich den Scheik auf, zuvor die Umgebung des Lagers absuchen zu lassen und dann Posten auszustellen. Dies wurde mit der größten Sorgfalt ausgeführt, und ich suchte auch selbst mit; wir fanden aber keinen Menschen, obgleich wir ganz nahe am Fluß lagerten, etwas unterhalb der Stelle, an welcher ich mit Halef hinübergeritten war.
Jetzt wurden die beiden Inkulpaten noch einmal im Guten gefragt, und als sie nun auch bei ihrem Leugnen beharrten, begann das, was der Türke ‚bir degenek urmak‘ nennt, d.i. eine Bastonade geben. Ich hatte die Vorsicht gebraucht, sie weit voneinander anbinden zu lassen, so daß nicht der eine von ihnen hören konnte, was der andere aussagte; sie hätten uns sonst trotz der Schmerzen belügen können; so aber war, falls die beiden
Weitere Kostenlose Bücher