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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ging als Beute in den Besitz der Zibari-Kurden über. Mein Hadschi Halef konnte es nicht unterlassen, zu dem Armeni zu treten und ihm frohlockend zu sagen:
    „Wir haben gesiegt und kein einziger von deiner Bande ist entkommen. Wo bleibt nur dein großes Maul und deine noch viel größere Rache? Wessen Tod hat unser Wiedersehen zu bedeuten, den meines Sihdi oder den deinigen? Du wirst mit Schande in die Hölle fahren; wir aber haben unseren Ruhm vergrößert und werden besungen werden von allen Männern, Frauen und Töchtern des türkischen Reiches, Arabien und Farsistans (Persien). Du bist nichts als eine sterbende Kröte; ich aber bin der oberste Scheik der Haddedihn und heiße Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah!“
    Sobald der Morgen anbrach, wurde unser Lager aufgehoben und nach dem jenseitigen Ufer auf die Stätte unseres Sieges verlegt. Da konnte ich freilich dem Dank der Geretteten nicht entgehen. Mein kleiner Halef war in dieser Beziehung etwas unbescheiden; er stellte sich neben mich und nahm mir den größten Teil des gespendeten Ruhms weg, was ich ruhig geschehen ließ, denn ich wußte, wie er es meinte, und gönnte ihm die Triumphe, die er sich selbst am lautesten spendete.
    Mirza Muzaffer befand sich mir gegenüber in großer Verlegenheit; ich befreite ihn von derselben, indem ich so freundlich mit ihm sprach, als ob von einer Beleidigung gar keine Rede gewesen sei. Er war ganz entzückt, den ‚Stern seines Hauses‘ wieder zu haben, und als ich ihn bat, bei seiner Heimkehr die drei Mädchen aus Serdascht mitzunehmen, zeigte er sich gern bereit dazu und sagte:
    „Du bist, o Emir, dort gefangen genommen und verdächtigt worden; ich werde deinen Ruhm verkünden und den Leuten mitteilen, daß die drei Töchter von Serdascht nur dir ihre Rettung zu verdanken haben.“
    Er reichte mir bei diesem Versprechen die Hand, ohne sich erst zu fragen, ob er dadurch verunreinigt werde.
    Den alten, falschgesinnten Scheik der Schirwani strafte ich mit Verachtung, war aber für ihn und die Seinen zu ihrem Vorteil tätig. Sie hatten schwere Strafe verdient; es gelang mir jedoch durch den Hinweis auf die Folgen der Blutrache, Scheik Scheri Schir zu bestimmen, die Schirwani ziehen zu lassen, ohne sich an ihnen zu rächen; ihr Eigentum blieb freilich als Beute zurück. Sie waren gezwungen, ihren Heimweg zu Fuß anzutreten. Vorher aber mußten sie Zeugen der Strafe sein, welche ihre Verbündeten, die Armenier, traf.
    Diesen stand ein schlimmeres Los bevor, als ihren kurdischen Kumpanen, denn sie waren die eigentlichen Anstifter des Mädchenraubes. Scheri Schir fragte mich in Bezug auf sie:
    „Was würdest du mit ihnen tun, Emir?“
    „Nach dem Kanun'ilm elhukuk (Justizgesetz) müßtest du sie dem Mutessarif von Schehrsor zur Bestrafung ausliefern.“
    „Das würdest du wohl selbst nicht tun. Was geht mich der Kanun'ilm elhukuk an! Wenn ich mich nach ihm richte, bekommt keiner dieser Hunde auch nur die geringste Strafe, die Beschwerden des Transports gar nicht gerechnet. Wir sind freie Kurden und richten solche Leute nach unseren Gesetzen. Ich bitte dich sehr, ja kein gutes Wort für sie einzulegen; so lieb ich dich habe, diesmal dürfte ich nicht auf dich hören.“
    „Wir Menschen sind alle Sünder und sollen mild voneinander denken; hier aber handelt es sich nicht um die angeborene, allgemeine Fehlerhaftigkeit, sondern um fortgesetzte, todeswürdige Verbrechen. Sie haben Frauen geraubt und verkauft und gestern die sieben Perser erschossen. Tue mit ihnen, was dir beliebt!“
    „Da hast du mir aus dem Herzen gesprochen; ich danke dir!“
    „Eine Bitte habe ich doch! Quäle sie nicht unnötigerweise und suche von ihnen zu erfahren, wohin sie die früher geraubten Mädchen verkauft haben. Wenn wir dies den Angehörigen melden können, ist es diesen vielleicht möglich, die Entführten wiederzubekommen.“
    „Ich werde es tun. Jetzt versammle ich meine Ältesten zum Gericht. Willst du mit an demselben teilnehmen?“
    „Nein. Aber laß mich rufen, ehe ihr das Urteil vollstreckt! Ich will vor ihrem Tod noch einmal zu ihnen sprechen. Sie sind Christen, und vielleicht gelingt es mir, Reue in ihnen zu erwecken.“
    Ich ging fort, am Fluß hin, weit fort. Ich mochte den Ort gar nicht sehen, wo Mohammedaner mit vollem Recht über Christen zu Gericht saßen. Ich nahm an, daß man vielleicht eine Stunde dazu bedürfen werde, kehrte aber schon wieder um, ehe eine halbe vergangen war, hatte

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