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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Beamten der heiligen Kaaba in dieser Weise zu sprechen? Ich kenne dich nicht und habe dich noch nie gesehen!“
    „Desto besser kenne ich dich. Du bist der Kys-Kaptschiji, den wir suchen.“
    „Allah akbar! Was muß ich hören!“
    „Du wirst heute nicht nur hören, sondern auch fühlen! Schau, diese Fläschchen mit dem heiligen Blut sollen vom Scheik der Kaaba versiegelt worden sein? Da aber lese ich auch wieder den Namen Musa Wardan, denselben Namen, der auf deinem Siegelring steht.“
    Ich öffnete, ohne daß er mich zu hindern wagte, das Fläschchen mit dem Messer, holte mit einem spitzen Holz einen Teil des Inhalts heraus, betrachtete und befühlte ihn und fuhr dann fort:
    „Das Damm el mukaddas soll aus der Schlacht bei Bedr stammen? Sie wurde im zweiten Jahr der Hedschra geschlagen; dieses Blut aber ist höchstens drei oder vier Tage alt und wird wahrscheinlich aus den Adern eines Schafes oder einer Ziege gekommen sein. Was würde der Scheik ul Islam sagen, wenn er hörte, daß es noch Blut des Propheten gibt, und daß ein armenischer Giaur Handel damit treibt!“
    „Ich bin kein Armenier, sondern –“
    „Schweig, Schurke!“ donnerte ich ihn an. „Dieses heilige Blut ist ebenso frecher Schwindel, wie heute mittag das heilige Öl. Willst du nicht auch noch mit Ma el mukaddas Handel treiben?“
    „Ma el Mukaddas?“ fragte er ganz verstört.
    „Ja, mit Ma el mukaddas, mit dem heiligen Wasser. Weißt du nicht, daß der Prophet Nahum, den auch die Moslemim verehren, hier am Zab gelehrt und eine heilige Stätte gegründet hat? Sie liegt hier in der Nähe, und das Wasser des Flusses am Fuß der Ruine wird für heilig gehalten und Ma el mukaddas genannt. Da gäbe es genug Ware für deinen frommen Handel; ich aber an deiner Stelle würde es vorziehen, in diesem Ma el mukaddas ersäuft zu werden. Das hättest du reichlich verdient!“
    „Wir können ihm dazu verhelfen!“ ertönte da die drohende Stimme des Nezanum. „Er hat uns mit ed Damm el mukaddas betrogen; das schon ist ein todeswürdiges Verbrechen. Wenn es sich dazu herausstellt, daß er der Kys-Kaptschiji ist, werden wir ihn ersäufen!“
    Der Armeni erhob sich, kreideweiß im Gesichte.
    „Wenn ich so verdächtigt und verlästert werde, muß ich mich entfernen“, sagte er.
    Aber schon stand auch Halef neben ihm, hielt ihm die Pistole unter die Nase und drohte:
    „Glaubst du, so leichten Kaufes davonkommen zu können? Tu einen einzigen Schritt, so erschieße ich dich! Du hast gedroht, daß unser Wiedersehen meinem Sihdi den Tod bringen werde, und damit dein eigenes Urteil gesprochen. Fesselt ihn!“
    Ich brauchte den verabredeten Wink gar nicht zu geben; kaum hatte Halef seine Aufforderung ausgesprochen, so waren zwanzig, dreißig Kurden bereit, die beiden Armenier niederzuwerfen und zu binden.
    Keine Minute, nachdem dies geschehen war, hörten wir laute Stimmen und den Hufschritt vieler Pferde. Der erwartete Scheik kam mit seinen Kriegern an, gegen hundert an der Zahl. Als er aus dem Sattel stieg, sah er mich am Feuer stehen. Er stieß einen Freudenruf aus, kam auf mich zu, umarmte mich und jubelte:
    „Du hier, Emir, du! Da dürfen wir endlich Hoffnung haben, denn du wirst die Spur der Verlorenen finden! Sie wurde uns vor zwei Tagen geraubt, und wir haben seitdem vergeblich gesucht. Du aber bist der Liebling Allahs, und er wird deine Augen auf ihre Spur leiten.“
    Sein Sohn Hamsa Mertal reichte mir beide Hände und sagte:
    „Ich möchte meine Freude über deinen Anblick laut ausrufen; aber die Trauer um das Weib meines Herzens preßt mir das Herz zusammen. Du hast schon viel an uns getan; aber wenn du Schefaka findest, so sollst du – – –“
    „Sei still, und traure nicht!“ bat ich. „Wir haben ihre Spur. Vielleicht wirst du sie noch heute in deine Arme schließen. Da liegt der Kys-Kaptschiji gefesselt; er wird uns sagen müssen, wo sie zu finden ist.“
    Man kann sich denken, welchen Eindruck, welche Aufregung diese Worte hervorbrachten! Ich erzählte, wo und wie ich den Armenier getroffen hatte und was darauf geschehen war; an diesen Bericht schloß sich meine Vermutung an und die Gründe dazu, und Scheri Schir, der alte Scheik, war ganz meiner Meinung. Er bedauerte unendlich, daß ich verkannt worden war, und versprach hoch und heilig, mich und Halef dafür zu entschädigen. Nun erfuhr ich auch, wie es möglich gewesen, daß man uns für die Täter hatte halten können. Zwei Männer, der eine groß, der andere klein, dieser

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