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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sah mir lächelnd ins Gesicht, blinzelte mir lustig zu und sagte:
    „Sihdi, ich errate deine Gedanken. Du willst Fatima zu Schanden machen?“
    „Ja“, nickte ich.
    „Also nicht vier Tage auf diese törichten Schiiten warten?“
    „Nein.“
    „Aber dir auch nicht von diesen Christen dabei helfen lassen?“
    „Nein.“
    „Hamdullillah, Allah sei Dank! Das gibt wieder einmal ein Erlebnis, auf welches ich mich freue! Du meinst doch nicht etwa, daß wir uns vor den Akra-Kurden zu fürchten haben?“
    „Fällt mir gar nicht ein! Wir werden es in ihrem Lager nur mit Greisen, Frauen und Kindern zu tun haben.“
    „Sagst du? – Warum?“
    „Weil die Krieger fort sein werden. Der Überfall wird den Schiiten mißlingen; ich sehe voraus, daß sie fliehen müssen und von den Kurden bis hierher verfolgt werden. Dann reiten wir beide in das Lager und holen die Sklaven heraus.“
    „Aber wenn der Überfall gelingt?“
    „Ich sage dir, daß er abgeschlagen wird. Du weißt ja selbst, wie sehr diese kurdischen Waldlager verbarrikadiert zu sein pflegen. Es gehört viel List dazu, den Zugang zu erzwingen. Dazu aber ist Schir Saffi keineswegs der Mann. Wenn er einen nur einigermaßen kriegerischen Blick besäße, hätte er nicht dieses Tal hier zum Aufenthalt gewählt. Von den Höhen, die es auf drei Seiten einschließen, kann der Feind ganz leicht herniedersteigen. Nicht einmal der Eingang da unten ist versperrt worden. Auch unsere Gastfreunde sind Männer des Friedens und nicht des Krieges, sonst hätten sie die Ihrigen nicht zwei Jahre lang in der Sklaverei schmachten lassen. Du zum Beispiel wärest den Akra-Kurden gefolgt, so weit sie ziehen mochten.“
    „Da hast du sehr recht, Sihdi. Hätte man mir Hanneh, mein Weib, die Lieblichste und Schönste unter den Frauen und Töchtern, gefangen fortgeführt, so wäre ich den Feinden bis an das Ende der Welt gefolgt und weit noch darüber hinaus, um sie alle umzubringen und Hanneh, die Blume meines Daseins, zu befreien. Und du, Sihdi, wärst mitgegangen. Nicht?“
    „Ja, mein lieber Halef.“
    „Schade, daß du nicht auch ein Weib hast, welches die Beste der Herrlichsten und der Glanz deiner Wonne ist! Du lebtest noch einmal so lang!“
    „Wirklich?“
    „Ja, Sihdi“, antwortete er mit großer Überzeugung. „Die Liebe des Weibes verdoppelt die Jahre des Lebens.“
    „So werde ich mir eine Frau nehmen, sobald ich hundert Jahre zähle; dann werde ich zweihundert Jahre alt.“
    „Scherze nicht! Du bist ein tapferer Mann und Held, und dein Blick ist so scharf wie die Spitze der Nadel, mit welcher Hanneh, die Beste unter den Guten, mir die Löcher meiner Jacke verschließt; aber ein Auge für die Vorzüge und Freudenschimmer eines baldigen Hochzeitsgedankens hast du nicht. Ich tausche in dieser Beziehung nicht mit dir!“
    Ja, er war ein äußerst liebevoller und treuer Gatte und Vater, dieser gute Hadschi Halef Omar. Und doch hatte er jetzt wieder meinetwegen Weib und Kind verlassen, um mich zu begleiten. Er liebte mich von dem Augenblick an, an welchem wir uns zum ersten Mal sahen, und besaß einen Tatendrang, der ihn an meiner Seite festhielt. Trotz seiner kleinen Gestalt und seines spärlichen Schnurrbarts, sechs Haare rechts und sieben links, besaß er einen Mut und eine Ausdauer, wie ich sie auf allen meinen Reisen, den Apachenhäuptling Winnetou ausgenommen, in diesem Grad noch bei keinem meiner Gefährten gefunden hatte.
    Nach dem ‚Morgenkaffee‘ ging ich in die Kirche, um das Innere derselben zu betrachten. Diese armen Menschen! Ihr Gotteshaus bestand aus einer so primitiven Hütte, in welcher sich nichts befand als ein aus Zweigen geflochtener, tischartiger Gegenstand, welcher als Altar diente. Ein rotes Kopftuch war darüber gedeckt; darauf stand ein sehr einfach aus Holz geschnitztes Kreuz. Salib kam herein und fragte mich, ob ich die Predigt hier in der Kirche halten wolle. Ich verneinte das, weil die Hütte kaum die Männer fassen konnte, und es sollten mich doch alle hören, auch die Kinder.
    Nun wurde jedermann, der abkommen konnte, fortgeschickt, um Laub, Zweige und Blumen zum festlichen Schmuck zu holen. Ich forderte den alten Salib auf, mit mir und Halef einen Spazierritt zu machen. Er erfüllte mir den Wunsch, zu welchem ich natürlich meine guten Gründe hatte. Wir ritten ostwärts, bald rechts, bald links von der geraden Richtung ab, bis ich ein Tal fand, welches meinen Absichten entsprach. Nun erst erklärte ich dem Alten, was ich

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