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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Zaubergewehre, mit denen du hundert- und tausendmal schießen kannst, ohne zu laden, und ein schwarzes Pferd, in welchem ein Bruder des Scheïtan steckt, des Teufels, der dir Hilfe leistet!“
    „Laß dich nicht auslachen!“
    „Niemand wird lachen, wenn er hört, was ich von dir und deinem kleinen Diener erfahren habe, der ein Neffe und Urenkel des Teufels ist. Emir, zieh morgen mit uns gegen die Akra-Kurden, dann soll es dir vergeben sein, daß du bei unserer Moschee gewesen bist!“
    „Ich brauche eure Verzeihung nicht und hege keine Gemeinschaft mit Moslemin, welche ein totes Weib anbeten.“
    Da blitzte sein Auge wieder zornig auf.
    „Ein totes Weib! Hättest du nicht den Teufel, so säße dir längst mein Messer zwischen den Rippen. Wir wissen, wie mächtig Fatima ist. Diese Christen verlassen sich auf ihre Marryam und legen die Hände in den Schoß. Wir beten zu unserer Fatima mit einem Rosenkranz mit neunundneunzig Kugeln; sie aber brauchen hundertfünfzig kleine und auch noch größere Kugeln, um ihre Marryam anzurufen. Muß da nicht unsere Fatima gnädiger und mächtiger sein?“
    „Ya killet el 'akl – welch ein Unsinn! Die Macht und Gnade nach den Kugeln zu berechnen! Ob da bei eurem Gebet zu Fatima eine Kugel oder Millionen nimmst, es bleibt sich gleich, die Hilfe bleibt doch aus!“
    Da trat er auf mich zu und loderte mich mit förmlich glühenden Augen an:
    „Du glaubst also nicht, daß unser Masbaha (Rosenkranz) besser ist als der eurige?“
    „Nein.“
    „Und Fatima mächtiger als Marryam?“
    „Nein.“
    „So sollst du bald erfahren, wie sehr du dich irrst. Diese Christen mögen feig hier bleiben, um zu beten; es wird sich zeigen, ob ihre Marryam ihnen ihre fortgeschleppten Verwandten sendet. Wir aber sind der Hilfe Fatimas gewiß. Nach vier Tagen werden wir mit unsern befreiten Angehörigen zurückkehren; die ihrigen jedoch lassen wir in der Sklaverei zurück; es wird uns nicht einfallen, auch diese zu erretten!“
    Er wandte sich, um zu gehen. Da rief ich ihm zu:
    „Warte noch einen Augenblick! Wir haben dein Wort vernommen; höre nun auch das meinige! Euer Vertrauen zu Fatima wird euch ins Verderben führen; Marryam aber wird das Gebet dieser frommen Christen erhören, ohne daß sie sich von hier zu entfernen und die Sünde zu begehen brauchen, das Blut von Menschen zu vergießen. Ihr Gebet wird sogar auch eure Angehörigen befreien, während ihr die ihrigen nicht retten wollt; ihr Glaube gebietet Liebe, Liebe selbst gegen den Feind. Es wird sich in vier Tagen zeigen, wer sich im Irrtum befindet, du oder ich?“
    „Ja“, lachte er höhnisch, „deine Prahlerei gegen unsere Tapferkeit, euer Glaube gegen den unserigen – Marryam oder Fatima! Ihr werdet weinen und heulen über die Dummheit, in welcher ihr wie die Kröten im Schlamm steckt. Ich bin bereit: es mag gelten – Marryam oder Fatima!“
    Er ging jetzt fort, und wir hörten sein höhnisches Lachen noch, als wir ihn nicht mehr sehen konnten.
    Wir waren, in unsere Decken gehüllt, unbesorgt um die feindselige Gesinnung der Schiiten, eingeschlafen. Als wir erwachten, sahen wir, daß drüben zum Aufbruch gerüstet wurde. Zwei Männer saßen in unserer Nähe; sie hatten die Gewehre neben sich liegen. Als sie meinen fragend auf sie gerichteten Blick bemerkten, erklärte der eine:
    „Wir haben bei euch gewacht, denn Salib traute Schir Saffi nicht, weil du an der Moschee gewesen warst.“
    „Ich danke euch, doch war das nicht nötig. Schir Saffi fürchtet den Teufel, den er sich als unsern Bundesgenossen denkt.“
    Wir gingen zum Wasser, um zu trinken, und uns zu waschen. Auch im Christendorf herrschte schon reges Leben; die Bewohner desselben waren schon fast alle munter. Es wurde uns ein Morgentrank gebracht, eine Art Kaffee von gerösteten Eicheln und Kürbiskernen mit Milch gemischt; dazu gab es neubackene, dünne Fladen von Mehl und Wasser. Eben als wir uns niedersetzen wollten, diese Delikatessen zu genießen, stiegen die Moslemin zu Pferd. Indem sie drüben vorüberritten, rief Schir Saffi uns nochmals höhnisch zu:
    „Also Marryam oder Fatima. Betet eure Kugeln ab, bis euch die Lippen und Hände schmerzen, ya Guhhal wa ya Tenabil – ihr Dummköpfe und ihr Toren!“
    Es fiel mir gar nicht ein, zu antworten, und auch unsere Gastfreunde schwiegen. Als sie unten am Ausgang verschwanden, wußte ich, daß ihr Ritt wenigstens ein erfolgloser, ja vielleicht gar ein für sie unglücklicher sein werde. Halef, der mich kannte,

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