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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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welches bei jedem Ave angezogen wurde! Ein unvergeßlicher Abend nicht nur für unsere Gastfreunde, sondern auch für mich selbst!
    Hierauf folgte das Festessen, und dann saßen wir noch lange, bis auch das letzte Licht und Lämpchen erlosch, in ernsten Gesprächen beisammen. Wie oft wurden mir dabei die Hände gedrückt, und welche Mühe gab man sich, uns beiden Fremden zu zeigen, daß man uns in dieser kurzen Zeit liebgewonnen habe! Als ich mich dann neben Halef zur Ruhe ausstreckte, sagte er:
    „Sihdi, du mußt mit mir zu Hanneh gehen, der süßesten unter den Frauen, und so zu ihr reden, wie du heute gesprochen hast. Sie soll Marryam auch kennen lernen, welche die Omm kaddis el Muchallis ist, die heilige Mutter des Erlösers. Willst du?“
    „Ja. Wir kehren auf dem Rückweg ja zu euern Weideplätzen zurück.“
    Er hüllte sich befriedigt in seine Decke und schloß die Augen. Ich tat dasselbe, konnte aber trotz der zugemachten Augen lange nicht einschlafen. Die Bilder des heutigen Tages gingen in ihren einzelnen Zügen an mir vorüber. Hatte ich recht gehandelt, einmal der Prediger dieser armen, nach Wahrheit hungernden Menschen zu sein? Ich sagte mir ‚Ja‘ und schlief dann endlich ein.
    Trotzdem wachte ich schon zeitig auf, als eben der Tag angebrochen war. Da läutete ich selbst das Glöcklein zum Morgengebet, nach welchem wir wieder ‚Kaffee‘ tranken und uns dann zum Aufbruch rüsteten. Wir wurden wieder mit Fragen nach unsern Absichten und mit Bitten, doch hierzubleiben, bestürmt. Ich konnte nichts anderes tun, als meine Versicherung wiederholen, daß wir zur rechten Zeit zurückkehren würden, und bat, dieses Tal ja baldigst zu verlassen. Nachdem wir Proviant für wenigstens vier Tage erhalten hatten, nahmen wir Abschied und ritten davon. Salib wollte uns mit noch einigen das Geleit geben, doch bat ich ihn, davon abzusehen; es hatte keinen Zweck.
    Unser Weg führte erst westwärts und dann südlich in die Berge hinein. Die Akra-Kurden mußten in der Nähe des Akra-Flusses zu suchen sein, welcher ein Zufluß des obern Zab Ala ist. Wo aber gerade die betreffende Abteilung des Stammes, um welche es sich handelte, sich aufhielt, das wußte ich nicht. Ich hätte mir einen Führer mitnehmen können, hatte dies aber nicht getan, weil ich überzeugt war, daß er uns hinderlich sein würde. Ich mußte mich auf meinen oft bewährten Ortsinstinkt und auf meine scharfen Augen verlassen. Die Spuren der Schiiten waren jedenfalls zu finden, denn diese Leute ritten wahrscheinlich nicht so vorsichtig wie Indianer, welche ihre Fährte auf das künstlichste auszuwischen verstehen. Es dauerte auch gar nicht lange, so kamen wir auf grasigen Boden, und da hatten wir die breit auseinanderlaufenden Hufeindrücke vor uns. Sie waren noch zu sehen, obgleich ein ganzer Tag dazwischen lag.
    Nun galt es, diesen Zeitunterschied möglichst einzuholen. Unsere Pferde waren gut, hatten sich seit vorgestern abend trefflich ausgeruht und warfen trotz des schwierigen Terrains in Zeit einer Stunde weit mehr als eine deutsche Meile hinter sich. Schon gegen Abend sah ich es der Schiitenfährte an einer Stelle, wo sie besonders deutlich war, an, daß sie von heute stammte.
    Wir waren einigemale, um Terrain zu gewinnen, von ihr abgewichen und hatten dabei die Stelle umgangen, an welcher die Schiiten des Nachts geblieben waren. Als es zu dunkeln begann, sah ich noch, daß ihre Spuren von heute mittag herrührten. Wir hatten sie also in einem Tag beinahe eingeholt und konnten uns und den Pferden Ruhe gönnen. Wir lagerten an einem kleinen Wasser, wo die Tiere Gras fanden, pflockten sie an und legten uns dann schlafen.
    Kaum graute der Morgen, so ging es weiter. Wir waren aus den Tura-Ghara-Bergen herausgekommen, hatten den Dschebel Hair hinter uns und befanden uns im Gebiet des Akra-Flusses. Am Mittag zeigte eine Prüfung der Fährte, daß sie nicht zwei Stunden alt war. Wir folgten ihr dennoch in derselben Eile und standen nach einer halben Stunde im Begriff, um eine Waldecke zu biegen, als ich, der ich vorantritt, meinen Rappen schnell wieder zurückdrängte.
    „Was ist's, Sihdi?“ fragte Halef.
    „Die Schiiten sind da vor uns.“
    „Was tun sie?“
    „Sie lagern am Rand des Holzes. Steig ab und halte mein Pferd. Ich muß wissen, woran ich bin. Vielleicht müssen sie halten, weil sie sich in der Nähe des Feindes befinden.“
    Ich stieg ab, gab ihm auch die beiden Gewehre, weil sie mir beim Anschleichen beschwerlich waren, und ging in

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