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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dem einfachen und vertraulichen Baas bezeichnet werden, ist auch mit nach Afrika herübergekommen. Afrikander im weiteren Sinne nennt man alle Ansiedler niederländischen Ursprunges, im engeren Sinne aber versteht man hierunter nur diejenigen Boers, welche gut mit der Büchse umzugehen verstehen, treu an ihren alten Traditionen hängen, infolgedessen unerbittliche Feinde der Engländer sind und vor keiner Gefahr zurückzubeben pflegen. Nennt ein Ansiedler den andern einen Afrikander, so ist dies die größte Ehrenerweisung, welche er ihm bieten kann, denn er hat ihn damit als einen Helden bezeichnet. Dieser erst zweiundzwanzigjährige Neef Jan mußte also bereits genügende Proben seines Mutes gegeben haben, um von dem berühmten Uys als Afrikander bezeichnet zu werden.
    „Er hat außer Jan noch einen anderen Namen?“ fragte ich daher.
    „Allerding“, antwortete der Boer mit einem schlauen Lächeln. „Euch ist schlecht standzuhalten, wie es scheint, Mynheer. Ich wollte diesen Namen erst bei der Vorstellung nennen, aber da Ihr mich so drängt und der Neef auch nicht daheim ist, so sollt Ihr wissen, daß er Jan van Helmers heißt.“
    „Van Helmers?“ rief ich. „Wollt Ihr damit sagen, daß er ein Glied jener Familie sei, welche ich suche?“
    „Wenn ich mich nicht irre, so ist er der Enkel jenes Großoheims, von welchem Ihr mir erzähltet. Dieser fiel als wackerer Kämpe in der Schlacht bei Pieter-Maritzburg, in welcher auch dessen Sohn mitfocht, der, wie ich Euch versichere, ein Jäger und ein Krieger war, wie es kaum einen zweiten gab. Der Enkel gleicht ihm auf das Haar. Seine Büchse hat noch niemals ein Ziel verfehlt, weder bei Tag noch bei Nacht; darum wird er nur der Boer van het Roer genannt, und seine Fäuste sind stark wie die Tatzen des Löwen; wehe dem, der zwischen sie gerät!“
    Mietje war uns vorausgeeilt; wir sahen sie jetzt hinter den Planken des Hofes verschwinden.
    „Und dieses Kaffernmädchen?“ fragte ich.
    „Ist seine Adoptiv-Schwester und seine Braut.“
    „Ah!“
    „So ist es! Sein Vater war nordwärts vom Griqua auf einer Jagdstreiferei in die Kalahari gekommen und fand dort neben der Leiche einer jungen, schönen und wohl kaum vor einer Stunde verstorbenen Kaffernfrau das halb verschmachtete Kind. Er hatte ein mitleidiges Herz und nahm das Mädchen mit sich. Es wurde getauft und neben Jan erzogen, der es nicht anders als sein Schwesterchen nannte, bis er auf den Gedanken kam, aus der angenommenen Schwester sein Weib zu machen.“
    „Waren die Eltern damit einverstanden?“
    „Natürlich! Ihr dürft nicht glauben, daß wir dieselben Vorurteile hegen, wie ihr daheim. Mietje ist ein ganzes Mädchen und wird eine Frau werden, wie Jan unter den Ansiedlern keine bessere finden kann.“
    „Sie muß eine Amatomba oder Lagoanerin sein.“
    „Wahrscheinlich, doch geben die Gegenstände, welche van Helmers bei ihrer Mutter fand, keinen Anhalt. Sie ist, da Jan sehr viel außer Haus ist, die Seele der ganzen Besitzung, nimmt alle Sorgen mit Freuden auf sich und hat auch jetzt uns nur verlassen, damit wir bei unserer Ankunft sofort einen gedeckten Tisch vorfinden. Wäre ich jung, so könnte ich Jan um diese Braut beneiden!“
    Wir ritten in raschem Schritt über die fetten Wiesen dahin, passierten das offenstehende Tor und gelangten in einen sehr großen Hofraum, in welchen die Eingangstür des Wohngebäudes mündete. Einige Fanghunde empfingen uns mit lautem Gebell, doch ließen sie sich durch Uys, der ihnen jedenfalls bekannt war, sofort beschwichtigen. In ihr Gebell hatte sich ein eigentümliches Fauchen und Zischen gemischt. Ich folgte der Richtung des Schalls und gewahrte einen gezähmten Leoparden, welcher neben einer für ihn errichteten Hütte an einer starken Kette lag.
    Das Gebell hatte noch eine weitere Folge. Ich vernahm nämlich hinter dem Haus die eigentümlichen Töne einer Stimme, welche mir vollständig unbekannt war, und sah gleich darauf um die Ecke einen Strauß hervorbiegen, der sich mit weit vorgestrecktem Hals und schlagenden Flügeln auf uns losstürzte. Das Haus schien außerordentlich gut bewacht zu sein.
    Unglücklicherweise hatte sich der riesige Vogel meinen braven Quimbo zum Gegenstand seines Angriffs ausersehen. Dieser erkannte die Gefahr, welche ihm drohte, und brachte augenblicklich seine beiden nackten Beine auf den Rücken des Pferdes in Sicherheit.
    „Mynheer, Mynheer“, brüllte er, „Strauß will freß' Quimbo! Strauß hab' Hunger! Strauß mag

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