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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Abteilungen getrennt waren. Die Abteilung hatte jedenfalls ihren sprachlichen Grund, denn ich erkannte sowohl an der Farbe als auch an den Gesichtszügen, daß die eine Hälfte aus Hottentottenkindern, die andere aber aus Abkömmlingen von Kaffern bestand. Mietje beschäftigte sich soeben mit den ersteren, und ich bemerkte, daß der gegenwärtige Unterricht ein religiöser sei.
    „Nun wird gebetet. Faltet die Hände!“ gebot sie, diesem Befehl durch ihr eigenes Beispiel folgend.
    Die kleinen, gelbbraunen Händchen der Kinder legten sich zusammen.
    „Jetzt!“
    Sie erhob die gefalteten Hände zum Zeichen, und nun erklang es im Chore:
    „Sida tib, hommi na hab, sa ons anu-annuhe!“ (Wörtlich: Unser Vater Himmel in seiend, Dein Name geheiliget werde.)
    Die Kleinen beteten das Vaterunser in rührender Andacht zu Ende. Dann wandte sie sich an die Kaffernkinder:
    „Und nun auch ihr!“
    Die Händchen wurden auch von dieser Abteilung gefaltet; dann gebot sie wie vorher:
    „Jetzt!“
    Der kindliche Chor begann:
    „Bawo, wetu o sezulwini, malipatwe ngobungewele igama lako.“ (Wörtlich: Vater unser, welcher in den Himmeln, geheiliget werden Name Dein.)
    „So!“ lobte sie die Gelehrigkeit und Andacht der Kleinen. „Und nun wollen wir beten, wie wir des Abends und des Morgens drin bei Jeffrouw Soofje beten müssen. Alle zusammen – jetzt!“
    Sowohl die Kaffern als auch die Hottentotten begannen jetzt niederländisch:
    „Onze vader, die in de hemelen ziit, uw naam worde geheiligt.“ (Wörtlich: Unser Vater, der in den Himmeln bist, Dein Name werde geheiligt.)
    Ich sah und hörte, daß ich in ein frommes, gottesfürchtiges Haus gekommen sei, und es tat mir leid, den Unterricht stören zu müssen. Mietje hatte mein Kommen nicht bemerkt und wurde einigermaßen verlegen, als ich zwischen den Sträuchern hervortrat, um sie zu bitten, zur Mutter zu gehen.
    Ich begleitete sie, nachdem sie die Kinder entlassen hatte. An der Giebelseite des Hauptgebäudes bemerkte ich zwei Wildkatzenfelle, welche ausgespannt unter einem der Fenster hingen.
    „Diese Tiere scheinen hier häufig vorzukommen“, bemerkte ich.
    Sie nickte:
    „Da droben im Wald begegnet man ihnen sehr oft, Mynheer, und es ist nicht ganz ohne Gefahr, sie anzuschießen. Die erste, welche ich traf, hat mich gar arg zugerichtet, weil ich sie bloß verwundete, und hätte ich mein Messer nicht mitgehabt, so lebte ich jetzt vielleicht nicht mehr.“
    Ich blickte sie verwundert an.
    „Ihr versteht auch mit dem Gewehr umzugehen?“ fragte ich sie.
    „Jan hat es mich gelehrt, weil er meinte, hierzulande sei es vorteilhaft, wenn auch Frauen und Mädchen die Waffen gebrauchen können.“
    „Wo liegt der Wald?“
    „Ist man hier das Tal hinauf und über die Höhe rechts hinübergegangen, sieht man ihn liegen.“
    Wälder sind in diesen Gegenden eine Seltenheit, und da ich mich jetzt ohne weitere Beschäftigung sah, so rief ich meinen Diener, welcher in scheuer Entfernung vom Leoparden stand und das ihn verdrießlich anblinzelnde Tier neugierig betrachtete.
    „Quimbo, hast du die Pferde versorgt?“
    „Pferd hab' freß' und hab' sauf, Mynheer“, antwortete er. „Quimbo sein fleißig und hab' auch schon eß'.“
    „So nimm deine Waffen. Wir gehen nach dem Wald!“
    Ich trat in die Stube, um meine Büchse zu holen, und machte die beiden Frauen mit meinem Vorhaben bekannt. Sie warnten mich vor giftigen Schlangen, deren es im Wald eine Unzahl gebe, und boten mir einen Hottentotten als Führer an. Ich lehnte dies ab und verließ das Haus.
    Quimbo hatte sich mit allen seinen Waffen behangen und machte ein höchst unternehmendes Gesicht.
    „Mynheer hab' Flint; Mynheer will schieß' tot. Was will Mynheer schieß tot?“
    „Elefanten“, antwortete ich mit der ernsthaftesten Miene.
    Der Kaffer tat einen gewaltigen Sprung zur Seite und sah mich höchst erschrocken an.
    „Elefant? – Oh, Mynheer werd' sein tot, und Quimbo sein auch tot! Elefant bin dick; Elefant hab' Maul, so groß – – –!“
    Er streckte die Hände so weit als möglich auseinander, um mir zu verdeutlichen, wie groß das Maul des Elefanten sei.
    „Gut, so suchen wir uns einen Löwen!“
    Jetzt blieb er gar stillstehen vor Schreck.
    „Mynheer will such' Löwe? Oh, oh, Löwe sein noch viel mehr groß bös als Elefant; Löwe freß' all' Tier und all' Mensch; Löwe freß' England, freß' Holland, freß' Koikoib (Hottentotten), freß' Kaffer, freß' Mynheer und freß' auch Quimbo. Was soll tun

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