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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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war mir mehr darum zu tun, mich ordentlich auszugehen, als daß ich eine Absicht auf ein bestimmtes Wild gehabt hätte; dennoch aber hielt ich mich fortwährend schußbereit und ließ mir kein Geräusch entgehen.
    So strichen wir bereits eine Stunde lang vorwärts, als ich plötzlich aus nicht zu großer Entfernung einen Schuß vernahm.
    „Hör' Mynheer?“ fragte Quimbo, mit einer höchst bedenklichen Miene den Zeigefinger erhebend.
    Ich lauschte nach der Richtung hin, aus welcher der Schall zu uns gedrungen war. Ein zweiter Schuß ertönte.
    „Oh, schieß' noch 'mal! Mann schieß' tot Mann; sein hier zwei Abantu, zwei Mensch', und schieß' tot ein' der ander'!“
    Ich war nicht derselben Meinung, denn die beiden Schüsse waren jedenfalls von einer und derselben Büchse abgegeben worden, wie für ein geübtes Ohr deutlich aus dem Schall zu erkennen war. Ich hegte die Absicht, mich leise vorwärts zu schleichen, um den unbekannten Schützen heimlich zu beobachten, wurde aber bald veranlaßt, meine Bewegungen zu beschleunigen.
    „Help, help! Oh, woe to me!“ hörte ich eine laute, ängstliche Stimme rufen.
    Das war englisch. Jedenfalls befand sich ein Weißer in Gefahr, und darum drang ich so schnell wie möglich durch die lichten Farne. Schon nach einigen Augenblicken bot sich mir ein halb ernster, halb komischer Anblick dar. Auf dem moosüberzogenen Stamm eines umgestürzten und schräg gegen die umstehenden Bäume anliegenden Gelbholzbaumes hockte eine lange, dürre Menschengestalt und verteidigte sich mit dem Kolben der umgedrehten Büchse gegen einen mächtigen Eber, welcher am Hinterteil verwundet war und unter zornigem Grunzen und wütenden Stößen die improvisierte Festung zu erobern trachtete.
    Ich erhob die Büchse, fühlte aber meinen Arm von Quimbo gefaßt.
    „Oh, nicht schieß' Mynheer! Quimbo eß' gern schön' Sau; Quimbo mach' tot Sau!“
    Mit drei raschen Sprüngen stand er hinter dem Eber, dessen Angriff in so blinder Wut geschah, daß er den neuen Feind gar nicht bemerkte. Den Wurfspieß erhebend, schleuderte er denselben mit solcher Kraft dem Tiere hart hinter die Vorderbeine in die Seite, daß das feste, unzerbrechliche Holz tief in die Gegend des Herzens eindrang. Das Tier stand einen Augenblick bewegungslos und wandte sich dann, einen blutigen Schaum ausgeifernd, welcher die Trefflichkeit des Lanzenwurfes bekundete, gegen den Kaffer. Schon aber war dieser, um den Hauern auszuweichen, auf die Seite gesprungen und schwang die kurze, schwere Keule. Ein wuchtiger Schlag sauste gegen den Kopf des Ebers, der sofort zu Boden stürzte, und ein zweiter Hieb vollendete den Sieg, welcher das Werk von kaum einer Minute gewesen war. Der Held dieses Kampfes schwang die Keule hoch in der Luft und stieß einen Triumphruf aus.
    „Mynheer seh! Sau bin tot, bin viel tot, bin sehr tot. Sau nicht eß' Mann, sondern Quimbo eß' Sau!“
    Er riß den Spieß aus dem Leib des erlegten Tieres und griff zum Messer, um es sofort aufzubrechen. Der aus einer so fatalen Belagerung befreite Fremde schob seine langen, unendlichen Gliedmaßen von dem Baumstamm herunter und dehnte sie wie einer, der aus einem fürchterlichen Traum erwacht.
    „Hail, Sir, das war Hilfe zur rechten Zeit! Das Viehzeug, damn it, war so direful und unhöflich, daß ein Gentleman sich gar nicht mehr mit ihm abgeben konnte!“
    Der Mann war auf alle Fälle ein Engländer. Er trug auf dem rotblond behaarten Kopf, dessen Gesichtsteil zwei riesige Bartkoteletten zierten, eine hohe, helmartige und aus Nashornhaut gefertigte Mütze; den hageren Körper bedeckte eine kurze, karierte Jacke und eine ebensolche Hose, über welche zwei Filzgamaschen geknöpft waren, unter denen ein schmaler, ewig langer Fuß hervorragte. Die dürren Finger krallten sich noch immer um die abgeschlossenen Läufe seiner Doppelbüchse; an seiner Linken hing in einer ledernen Scheide ein riesiger Schleppsäbel mit Korbgriff, und aus dem um die dünne Taille geschlungenen Shawl sahen zwei hölzerne Messergriffe und die Kolben von drei riesigen Reiterpistolen hervor.
    „Sir Hubert Grey“, stellte er sich vor, indem er mit einer unbeschreiblichen Handbewegung mich aufforderte, ein Gleiches zu tun.
    „Was führt Euch in diese Gegend, Sir?“ fragte ich, nachdem ich auch meinen Namen genannt hatte.
    „Geschäfte, Mynheer, wichtige Geschäfte, die ich Euch allerdings nicht verraten kann, da Ihr ein Holländer seid.“
    „Ich bin kein Holländer, sondern ein Deutscher, Sir, und

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