30 - Auf fremden Pfaden
gehe im Kapland ein wenig spazieren. Doch erlaubt mir zu fragen, was dieses Tier hier mit Euern wichtigen Geschäften zu tun hat!“
„Dieses Tier, dieser Drache, dieser Cerberus? Stand off! Nicht das mindeste. Ich ging ein wenig zwischen die Bäume, um einen Schöps zu verdauen, welchen wir gegessen haben, und geriet dabei mit diesem Ungetüm zusammen –“
„Welches die Absicht hatte, nun Euch zu verdauen“, fiel ich lachend ein. „Doch apropos, Sir, wo glaubt Ihr, daß man einen Eber treffen muß?“
„Pshaw! Dieser Lindwurm wollte ja nicht stillhalten, als ich zielte. Ich verstehe schon, ein Gewehr da hinzuhalten, wohin es gehört, und habe daher nur einmal in die Luft geschossen, was bei einem Deutschen wohl zweimal geschehen wäre!“
„Möglich, vorausgesetzt, daß kein anderes Ziel als nur die Luft vorhanden ist. Darf ich vielleicht fragen, Sir, wer die Leute sind, mit denen Ihr Euern Schöps verspeist habt?“
„No, no! Das ist nichts für Euch. Ruft diesen Menschen von dem Tier zurück; es gehört mir. Und dann geht Eures Weges!“
„Meint Ihr, Sir Hubert Grey?“ fragte ich und fügte bei:
„Dieser Eber gehört meinem Diener, denn er hat ihn erlegt, und das Recht, welches Euch Euer Schuß an dem Wild geben könnte, ist recht gut abzutreten gegen den Umstand, daß er Euch das Leben gerettet hat.“
„Fudge! Ich behaupte, daß diese Sau mein Eigentum ist, und werde – – –“
„Nichts werdet Ihr! Wenn sich Angehörige von zwei zivilisierten Nationen in diesen Breiten begegnen, so pflegen sie sich freundlicher zu verhalten, als es bei Euch der Fall ist, Sir Hubert Grey. Ihr verlangt, daß ich meines Weges gehen soll. Gut, ich folge Euch, aber dieser Weg geht grad dahin, wohin Euch der Eure führt: zu dem Ort, an welchem der edle Schöps verspeist wurde. Hier hat ein jeder das Recht und sogar die Pflicht, zu sehen, wer sich in seiner Nähe befindet, und will man ihn daran hindern, so gilt einfach das Recht des Stärkeren. Wollt Ihr mich zu Euren Genossen führen oder nicht?“
Der gute Mann blickte höchst verlegen zu mir hernieder.
„Ich darf nicht, Sir, denn es soll niemand wissen, daß wir uns hier befinden.“
Ich hatte einen allerdings noch unbestimmten Verdacht gefaßt, welcher durch das Verhalten des Engländers nichts weniger als gehoben werden konnte. Was tat er hier in dieser Gegend, welche, wie ich wohl wußte, nur von einzelnen holländischen Boers bewohnt wurde, die den Engländern geradezu feindselig gesinnt waren? Ein geheimer Emissär der englischen Regierung konnte er unmöglich sein; dazu war er, wie es schien, geistig zu wenig befähigt, und was hätte er als solcher auch grad hier im Wald zu tun gehabt? Zwar hatte Kees Uys gesagt, daß sich jenseits der Randberge die Zulus zusammenscharten – ich mußte klar sehen und meinte daher:
„Wer soll es nicht wissen, Sir? Die Holländer oder auch ich als Fremder und Neutraler?“
„Niemand!“
„Und wenn ich es nun bereits wüßte?“
„Ihr? Impossible, unmöglich!“
„Und doch! Es sind Kaffern?!“
Ich merkte es ihm sofort an, daß ich richtig geraten hatte, obgleich er mir auszuweichen suchte:
„Kaffern? Ihr irrt Euch Sir! Wo wollt Ihr sie gesehen haben?“
Quimbo war mit seiner Arbeit fertig geworden und erwartete neugierig das Resultat unserer ihm unverständlichen Unterredung. Ich wandte mich zu ihm:
„Laß das Tier einstweilen liegen. Wir müssen diesen Mann begleiten!“
„Quimbo laß' lieg' Sau? Oh, oh, Mynheer, Quimbo eß viel schön' Sau; Quimbo werd' trag' Sau, und Mietje werd' seh', daß Quimbo schön und tapfer!“
„Du sollst sie auch haben, nur später, denn –“
Ein lautes Rascheln ließ mich umblicken – Sir Hubert Grey hatte die Gelegenheit benutzt und war in das Gesträuch gesprungen. Er mußte wirklich die ernstesten Gründe haben, mit seinen Begleitern unentdeckt zu bleiben, hatte sich aber natürlich verrechnet. Ich verschmähte es, ihm nachzuspringen; er konnte sich mir nur für den Augenblick entziehen; seine Füße waren groß genug, um mir untrügliche Spuren zurückzulassen. Bei der geheimen Verfolgung derselben konnte mir Quimbo nichts nutzen; daher besann ich mich kurz und erteilte ihm die Erlaubnis, nach der Farm zurückzukehren. Die Art und Weise, seine Beute fortzubringen, mußte ich dabei ihm allein überlassen.
Mich nach der Richtung wendend, in welcher der Engländer entflohen war, fand ich eine Fährte, wie ich sie deutlicher mir nicht wünschen
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