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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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man mit so einem stinkenden Hund zu sprechen hat.“
    Er kam auf mich zu, blieb drei Schritte vor mir stehen, funkelte mich mit lodernden Augen an und fragte:
    „Also, du bist ein Christ, wirklich ein Christ?“
    „Ja“, antwortete ich in aller Ruhe.
    „Und da glaubst du, daß ich dich wirklich nach Mursuk bringen werde?“
    „Nein!“
    „Nicht?“ klang es erstaunt. „Du hast es erraten. Ein gläubiger Sohn des Propheten wird sich nie dazu hergeben, der Khabir eines Christen zu sein, dessen Seele für die Hölle bestimmt ist.“
    „Du irrst. So, wie du denkst, habe ich es nicht gemeint. Ich wollte nur sagen, daß es überhaupt nicht dein Wille sei, irgend jemand nach Mursuk zu führen.“
    „Maschallah! Was hindert mich, dich für diese Beleidigung niederzuschlagen!“
    „Laß dich nicht auslachen! Ein Targi, wie du bist, schlägt mich nicht nieder.“
    Er hob schon die Faust zum Hieb, ließ sie aber vor Erstaunen wieder sinken und fragte:
    „Wie? Für einen Targi hältst du mich, für einen Krieger der Imoscharh? Warum denn?“
    „Darüber habe ich dir keine Rechenschaft abzulegen; aber warum willst du jetzt nicht nach Bilma weiterreiten, sondern nach Mursuk umkehren? Warum bist du nicht gleich umgekehrt, als deine Karawane in der Oase Seghedem überfallen wurde, sondern eine ganze Tagereise bis hierher weitergeritten?“
    „Weil – weil – weil – – –“
    Er stockte. Meine Frage brachte ihn so in Verlegenheit, daß er erst nach einiger Zeit fortfahren konnte:
    „Weil die Imoscharh mir den Rückweg verlegt hatten.“
    „Das war kein Grund, einen ganzen Tag lang weiter zu reiten. Ich schenke keinem deiner Worte Glauben. Daß die Tuareg irgendwo stecken, daran will ich nicht zweifeln, in Seghedem aber wahrscheinlich nicht. Ich nehme vielmehr an, daß du uns erst zu ihnen bringen willst. Du bist ihr Mirsal (Abgesandter), ihr Gasuhs (Spion), der uns in ihre Hände liefern soll. Wahrscheinlich stecken sie im Gebiet der Felsengrotten, weil du uns dorthin führen willst.“
    Ich sagte das in einem so bestimmten, überzeugten Ton, daß er einiger Zeit bedurfte, seine Bestürzung zu überwinden; dann aber brach er los:
    „Ja, Allah! Ist es möglich! Ein Gasuhs werde ich genannt, ein Gasuhs, zum Dank dafür, daß ich diese Männer hier retten will! Hund von einem Giaur, du stinkst mich an wie ein Aas, in dem die Würmer wimmeln! Ich werde – – –“
    „Halt!“ unterbrach ich ihn. „Kein solches Wort weiter! Als Christ bin ich zu deinen Beleidigungen bisher ruhig geblieben; ich werde auch ferner ruhig bleiben, aber dafür sorgen, daß, falls du noch ein solches Wort aussprichst, du auch ruhig wirst! Hast du bis jetzt noch keinen Christen gekannt, so sollst du einen kennen lernen, und kein Prophet wird mich hindern, dir zu zeigen, daß du gegen mich ein Schwächling und ein Knabe bist!“
    „Ein Knabe!“ schrie er wütend auf. „Das sollst du büßen! Hund, da hast du beide Messer!“
    Er tat einen Sprung auf mich zu, indem er die Arme ausbreitete, um sie um mich zu schlingen und mir die Messer in den Rücken zu stoßen; aber meine Faust kam ihm zuvor; ich schlug sie ihm von unten herauf unter das Kinn, daß er zurückflog und in den Sand stürzte. Im nächsten Augenblick war er wieder auf und legte die Flinte, welche er gehalten hatte, auf mich an; eben als der Hahn knackte, griff ich zu, riß sie ihm aus den Händen, sprang zwei Schritte zurück, richtete den Lauf auf ihn und drohte:
    „Keine Bewegung weiter, Knabe, sonst trifft dich deine eigene Kugel! Gehe heim zu den Deinen, und bitte deine Mutter um ein Spielzeug, welches besser für deine Hände paßt als diese Flinte!“
    Ich drückte den Schuß ab und schlug dann den Kolben des Gewehres schief gegen den Boden, daß er abbrach. Bei dem kleinen Krach, den das verursachte, stieß der Khabir einen wilden Schrei aus und sprang abermals auf mich ein; er achtete nicht darauf, daß ich das Bein hob, und er bekam einen Fußtritt in die Magengegend, der ihn zu Boden warf. Sofort kniete ich auf ihm und gab ihm einen Fausthieb gegen die Schläfe, der ihn so ruhig machte, wie ich es ihm angedroht hatte; er rührte sich nicht. Der Zorn des Scheiks richtete sich jetzt voll gegen mich.
    „Was hast du getan?“ fuhr er mich an. „Wir haben dich bei uns aufgenommen und dir erlaubt, mit uns zu reiten; du aber vergiltst uns diese Gastlichkeit damit, daß du den Mann tötest, der unser Retter sein will!“
    „Nicht euer Retter, sondern euer

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