30 - Auf fremden Pfaden
Mohammedaner, das kann ich beweisen. Wir haben gebetet, als die Sonne in das Sandmeer tauchte, der Khabir hat nicht gebetet, denn er war während der Gebetszeit unterwegs; er ist nicht von seinem Dschemmel (Kamel) gestiegen, um niederzuknien, denn er kam, als unser Gebet eben beendet war. Wer das vorgeschriebene Gebet versäumt, ist kein gläubiger Anhänger des Propheten, und wer das nicht ist, dem darf man wohl einen falschen Schwur zutrauen. Meinst du nicht?“
„Sihdi, du bist scharfsinniger als ich!“
„Und warum hat er nicht am Kampf teilgenommen, als, wie er behauptet, seine Karawane überfallen wurde? Warum sitzt er jetzt ruhig dort am Wasser und führt nur Reden gegen mich, während er zu Taten nicht den Mut besitzt? Im Zorn ja, da hat er mich vorhin angegriffen, nun dieser aber verraucht ist, verzichtet er darauf, sich selbst an mir zu rächen, er weiß, daß er sich leicht und ohne Gefahr für sich rächen kann, wenn wir ihm in die Grottenberge folgen. Da werden wir überfallen, und wenn wir dann gefangen sind, kann er mich töten, ohne für seine Tuareghaut den kleinsten Ritz zu riskieren. Das ist sein Gedanke, und darum läßt er klugerweise mich einstweilen in Ruhe.“
„Wenn man dich so sprechen hört, Sihdi, muß man unbedingt denken, daß du das Richtige triffst. Das Klügste würde wohl sein, dich zum dritten Mal zu bitten, mich unter deinen Schutz zu nehmen.“
„Wenn ich das tue, begebe ich mich höchstwahrscheinlich in eine Lage, in welcher ich selbst des Schutzes bedarf. Deine Bitte ist also eine Aufforderung an mich, mich deinetwegen einer Gefahr auszusetzen –“
Ich wurde in meiner Rede unterbrochen, denn in diesem Augenblicke ertönte die laute Stimme des Schech el Dschemahli:
„Auf, ihr Gläubigen, zum Nachtgebete, denn es ist dunkel geworden, und der letzte Schein des Tages versank vollständig hinter den Enden der Erde!“
Die Männer knieten, nach der Gegend von Mekka gerichtet, abermals nieder, befeuchteten Hände, Brust und Stirn mit Wasser und beteten ihm nach.
2. In den Magarat ess ssuchur
Als das Gebet, das letzte des Tages, zu Ende war, stand der Schech el Dschemahli auf und befahl den Leuten, die Kamele zu beladen, weil jetzt aufgebrochen werden solle.
„Wohin?“ fragte der Handelsherr.
„Nach den Felsengrotten natürlich“, lautete die Antwort.
„Wäre es nicht besser, wenn wir doch direkt nach der Oase Seghedem ritten?“
„Das sagst du, weil Kara Ben Nemsi, dieser Christ, auch lieber dorthin will?“
„Ja.“
„Wenn du auf die Ansicht eines Giaur mehr gibst, als auf das Wort eines gläubigen Moslem, so reite hin; es wird dich niemand halten. Wir aber machen den Umweg über die Grottenberge, weil uns unser Leben teurer ist als die Dummheit eines Ungläubigen.“
„Meine Diener müssen mit mir gehen!“
„Müssen? Sie sind keine Sklaven, sondern freie Männer, und du hast mir versprechen müssen, dich nach meinen Weisungen zu richten. Wir stimmen ab, und dann wirst du ja sehen, ob sie dir und dem Christen oder ihrer Klugheit folgen wollen.“
Die Abstimmung wurde vorgenommen, und es stellte sich heraus, daß alle außer dem Kaufmann, mir und meinem Diener bereit waren, dem Khabir zu folgen. Abram Ben Sakir kam zu mir, um sich zu entschuldigen und mich zum vierten Mal zu bitten, ihn nicht zu verlassen.
Eben als er sich von mir entfernte, hörten wir ein Geräusch, welches sich uns von Westen her näherte. Es waren die Schritte von Kamelen, und bald sahen wir trotz der Dunkelheit eine Reiterschar vor uns auftauchen. Auch wir wurden gesehen, denn eine laute Stimme rief:
„Wakkif – halt! Es sind schon Leute an dem Brunnen. Greift zu den Gewehren!“
Da antwortete unser alter Schech el Dschemahli:
„Es ist Friede. Wir sind weder Krieger noch Räuber. Kommt herbei, und labt eure Tiere und euch selbst an der Flüssigkeit des Wassers.“
„Seid ihr eine Kaffilah (Handelskarawane)?“
„Ja.“
„Woher und wohin?“
„Von Bilma nach Mursuk.“
„Wieviel Männer zählt ihr?“
„Vierzehn.“
„So macht uns Raum! Aber wenn du gelogen hast, so wird dir dein Kopf vom Hals fallen.“
Sie kamen vorsichtig vollends heran. Der von ihnen, welcher gesprochen hatte, ritt einige Kamelslängen voran, überschaute den Platz und sagte dann zu seinen Leuten:
„Es ist wahr; es sind nur vierzehn Männer; wir können also ohne Sorge sein. Kommt herbei!“
Er bediente sich der arabischen Sprache, aber in einer Weise, die in ihm einen Tedetu
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